Statuskonferenz „Arktis im Wandel“: Erste Forschungsergebnisse zu Veränderungen in der Arktis
Bei der diesjährigen Statuskonferenz des deutsch-britischen Forschungsprogramms „Changing Arctic Ocean – Arktis im Wandel“ in Potsdam zogen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der beteiligten 32 Institute eine Halbzeitbilanz. Gefördert werden die Forschungsarbeiten vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem britische Natural Environment Research Council (NERC).
Kaum eine Region weltweit verändert sich so rasant wie die Arktis. Die starke Erwärmung am Nordpol - die jährliche Mitteltemperatur ist um fast drei Grad Celsius gegenüber der Zeit vor der industriellen Revolution gestiegen – verursacht ein massives Schmelzen von Gletschern und Meereis. Diese großflächige Verringerung der Eisbedeckung hat möglicherweise dramatische Auswirkungen auf die Ökosysteme des Arktischen Ozeans.
Das ganze Ausmaß dieser Veränderungen und auch die Folgen für das globale Klima sind bisher noch nicht verstanden – daher wurde die Forschungsarbeit zu diesen Fragen intensiviert. Um die genauen Funktionen der miteinander verflochtenen und starken Wechselwirkungen unterliegenden arktischen Systems zu entschlüsseln, muss die Wissenschaft kontinuierlich aktuelle Daten zusammentragen.
Einen wichtigen Beitrag leistet hier das Forschungsprogramm „Changing Arctic Ocean – Arktis im Wandel", das im Februar 2017 zunächst als rein britische Initiative mit vier Verbundprojekten startete und seit Juli 2018 als deutsch-britisches Programm mit zwölf weiteren Projekten fortgesetzt wird. Insgesamt arbeiten über 220 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 32 Forschungseinrichtungen in Deutschland und Großbritannien in „Changing Arctic Ocean – Arktis im Wandel" zusammen.
Sie untersuchen, wie sich der Klimawandel auf das marine Leben in der Arktis auswirkt. In den insgesamt 16 Projekten werden völlig unterschiedliche Aspekte beleuchtet, die dennoch miteinander verbunden sind und sich gegenseitig verstärken können – mit unvorhersehbaren Folgen für die arktischen Ökosysteme. Immer geht es auch darum zu verstehen, welche wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung die Veränderungen haben werden. Bei der diesjährigen Statuskonferenz in Potsdam präsentierten die interdis-ziplinären Forscherteams in knapp 20 Vorträgen und über 50 Postern erste Ergebnisse.
So erforscht das Projekt ECO-Light, wie sich das Abschmelzen des Meereises auf das Lichtklima in den Ökosystemen auswirkt. Welche Schadstoffe hierbei freigesetzt werden können, untersucht das Projekt EISPAC. Der Rückgang des Eises hat auch zur Folge, dass sich die Meeresoberfläche vergrößert, wodurch mehr Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen können (Projekt PETRA). In den Projekten APEAR und PEANUTS erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Nährstoffkreisläufe in einem sich verändernden Arktischen Ozean.
Diese klimabedingten Veränderungen beeinflussen auch das Wachstum von Mikroorganismen, die die Grundlage des Arktischen Nahrungsnetzes bilden: So wird im Projekt Micro-ARC das Vorkommen dieser Kleinstlebewesen im Meerwasser analysiert; das Projekt Diatom-ARCTIC richtet den Fokus auf die Pri-märproduktion an der Unterseite des Meereises.
Das Vorkommen der Mikroorganismen wiederum hat einen entscheidenden Einfluss auf die sensiblen Nahrungsnetze in der Arktis. Das Projekt COLDFISH geht der Frage nach, ob ökologische Schlüsselarten wie der Polardorsch durch die Erwärmung des Meereswassers aus ihren Habitaten vertrieben werden. Im Projekt MiMeMo wird mit Hilfe von mathematischen Modellen abgeschätzt, welche Auswirkungen die Folgen des Klimawandels auf das Nahrungsnetz in der Arktis haben.
Zudem begünstigen die steigenden Temperaturen die Ausbreitung subpolarer Arten aus den angrenzen-den Gebieten. Das Projekt LOMVIA analysiert die Ausbreitung von Seevögeln in der Arktis, die eigentlich in gemäßigteren Breiten heimisch sind. Das Projekt CHASE untersucht anhand von Krill, wie ökologisch wichtige arktische Zooplankton-Arten auf den Klimawandel reagieren.
Die Erwärmung der arktischen Region führt auch zu Veränderungen an Land: Permafrost-Böden tauen auf und es fließt mehr Süßwasser in den Arktischen Ozean. Dadurch gelangt außerdem eine erhebliche Nährstoff- und Kohlenstofffracht in die marinen Ökosysteme, was sowohl die Primärproduktion als auch die Ozeanversauerung beeinflusst. Dies ist das Thema des Projekts CACOON.
Wichtig sei, dass die Ergebnisse aus der Arktisforschung in die politischen Entscheidungsprozesse einfließen, sagte Dr. Norbert Overbeck vom Referat „Meeres-, Küsten- und Polarforschung" des BMBF auf der Konferenz. Die deutsche Arktisforschung leiste seit Jahren einen bedeutenden Beitrag, um Veränderungen in der Arktis und deren regionale und globale Auswirkungen zu untersuchen. Der Dialog zwischen der Wissenschaft und politischen Entscheidungsträgern sei ein Schlüssel zum Erfolg. Mit einem starken Profil in der Arktisforschung sowie politischem Engagement in den Debatten um die Zukunft und nachhaltige Nutzung der Arktis sei Deutschland ein wichtiger Akteur in der Arktisregion, betonte Overbeck.