PRINCESS – nachhaltige Landnutzungskonzepte für wiedervernässte Moore
Das Verbundprojekt PRINCESS untersucht, welche Rahmenbedingungen für eine Wiedervernässung von trockengelegten Mooren geschaffen werden müssen. Wie auf diese Weise ökologische Herausforderungen begegnet werden kann, berichtet Prof. Dr. Jürgen Kreyling von der Universität Greifswald im Interview.
Wenn man an Moore denkt, dann denkt man sofort an neblige Wetterlagen, düstere Stimmung und wahrscheinlich an den ein oder anderen Krimi. Sehr wenige allerdings bringen den Klimawandel in Verbindung. Welche Bedeutung haben die Moorlandschaften für das Klima und den Klimaschutz?
Im Torf der Moore sind gewaltige Mengen Kohlenstoff gespeichert, weltweit ca. 600 Gigatonnen. So lange die Moore nass sind, verbleibt dieser Kohlenstoff im Torf und es wird jährlich weiterer Torf gebildet. Wir haben aber viele Moore für landwirtschaftliche Nutzung trockengelegt – in Deutschland fast alle (ca. 98%). Sobald Luft an den Torf kommt, wird dieser von Mikroorganismen abgebaut und der Kohlenstoff geht als CO2 in die Atmosphäre und heizt dort den Klimawandel an. Entwässerte Moore emittieren in der EU ca. 200 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent Jahr, das sind etwa 5 % der gesamten EU-Emissionen. Obwohl Moorböden nur 3 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche der EU ausmachen, entstehen dort 25 % der gesamten landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen. In Deutschland sind es bei 8% der Fläche sogar knapp 40 %. Die Treibhausgasemissionen können durch Wiedervernässung der Moore drastisch reduziert werden. Das ist in zahlreichen Studien belegt. Mit welchen Nutzungsformen aber nicht nur die Klimaziele erfüllt, sondern auch die Stickstoffverschmutzung und der Verlust von Biodiversität effektiv bekämpft werden können, das ist die Frage in unserem Forschungsprojekt PRINCESS, mit dem wir im April gestartet sind. PRINCESS steht für „Peatland Rewetting In Nitrogen-Contaminated Environments: Synergies and trade-offs between biodiversity, climate, water quality and Society".
Im Projekt arbeiten Sie mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus sechs Ländern - Polen, Österreich, Belgien, Norwegen, Finnland und Deutschland – zusammen. Welche Ziele verfolgen Sie?
Europa steht vor drei großen ökologischen Herausforderungen: Treibhausgasemissionen, Stickstoffverschmutzung und Verlust der biologischen Vielfalt. Die Wiedervernässung von Mooren kann einen wichtigen Beitrag bei der Bewältigung dieser Herausforderungen spielen. In PRINCESS wollen wir deshalb gemeinsam mit Landbesitzerinnen und Landbesitzern und Landnutzenden ermitteln, unter welchen Rahmenbedingungen welches Managementkonzept bestmögliche Synergien bereitstellt. Konkret untersuchen wir verschiedene Landnutzungskonzepte, von ungenutzt bis hin zu intensiver, aber eben nasser Landwirtschaft. Diese sogenannte Paludikultur betrachten wir , unter nährstoffreichen nährstoffarmen Bedingungen. Unsere Hypothese ist, dass gerade in stark nährstoffbelasteten Gebieten die einfache Nutzungsaufgabe nicht die beste Option ist. Vielmehr gehen wir davon aus, dass eine gezielte Nutzung nicht nur Nährstofffrachten vermindert und damit die Eutrophierung bekämpft, sondern auch dem Klima- und Biodiversitätsschutz dient. Auf wenig nährstoffbelasteten Flächen sollte dagegen Klima- und Biodiversitätsschutz am besten mit der Nutzungsaufgabe gedient sein.
Wie sieht Ihre Forschungsarbeit konkret aus?
Wir konzentrieren uns auf die Moore, die die größten Treibhausgasquellen darstellen und am stärksten von der Stickstoffbelastung betroffen sind, das heißt auf die seit langer Zeit landwirtschaftlich genutzten Niedermoore der gemäßigten Zone. Die entscheidenden Prozesse untersuchen wir sowohl unter streng kontrollierten Bedingungen im Labor und ebenso unter realistischen Bedingungen im Freiland. Damit schaffen wir den Sprung vom Prozessverständnis zur Übertragbarkeit. Unsere Freilandflächen reichen zwischen Belgien und den Niederlanden im Westen über Mecklenburg-Vorpommern bis hin nach Ostpolen. In diesen Gebieten vergleichen wir nährstoffärmere mit nährstoffreicheren wiedervernässten Niedermooren unter den verschiedenen Nutzungskonzepten. Die daraus gewonnenen Ergebnisse werden dann mittels Modellierung bis auf Flusseinzugsgebietsebene und schließlich auf EU-Level hochskaliert. Die Partnerinnen und Partner bringen dabei sehr verschiedene Expertisen ein, und wir nutzen fortschrittlichste Techniken und Methoden aus der Biogeochemie, der mikrobiellen Ökologie, der Pflanzenökologie und der sozioökonomischen Modellierung.
Wie beurteilen Sie die Zukunft der trockengelegten Moorlandschaften? Und welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um eine ökosystembasierte Lösung zu finden?
Der erste Schritt muss die Wiedervernässung der trockengelegten Moorflächen sein. Nur so können unsere selbst gesteckten Klimaziele (siehe Pariser Klimaschutzabkommen) erreicht werden. Je schneller das passiert, umso besser. Jedes Zögern führt unweigerlich zu größeren Treibhausgasemissionen durch weiteren Torfabbau. Danach stellt sich die Frage nach der weiteren Nutzung der wiedervernässten Flächen. In einer europaweiten Studie haben wir gerade festgestellt, dass sich auf den wiedervernässten Moorflächen nicht unbedingt wieder naturnahe Bedingungen einstellen – Pflanzenartenzusammensetzung, Hydrologie und Geochemie sind häufig deutlich verschieden von ihrem naturnahen Status. Für die Klimaziele sind diese neuartigen Ökosysteme dienlich, für Arten- und Naturschutz gilt dies vermutlich nur eingeschränkt. Die Nutzung zur Produktion von Biomasse und Rohstoffen beispielsweise für Bau- oder Dämmstoffen ist auf diesen Flächen eine Option, die auch den Landbesitzerinnen und Landbesitzern und Landnutzenden eine Perspektive bietet.
Was erhoffen Sie sich von PRINCESS und was sind die langfristigen Ziele?
PRINCESS wird wichtige wissenschaftliche Informationen für die landwirtschaftliche Flächennutzungspolitik für Moore in der EU liefern. Wir bewerten, welche Flächennutzungsoption nach der Wiedervernässung - je nach Stickstoffbelastung - den wichtigsten politischen Zielen am besten gerecht wird. Dies sind unter anderem gesunde Ökosystemen, die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an diesen, sauberes Wasser, gerechtes Einkommen für Landwirtinnen und Landwirte oder in Summe ein grüneres und nachhaltigeres Europa. Diese Informationen werden dringend gebraucht, um die jetzt anstehende Wiedervernässung aller trockengelegter Moore fundiert und l anzugehen.
BiodivERsA
BiodivERsA ist ein Netzwerk nationaler Förderorganisationen in der Biodiversitätsforschung. BiodivERsA wurde 2005 als ERA-Net (European Research Area Network) im 6. Forschungsrahmenprogramm der EU initiiert und durch weitere ERA-Nets fortgeführt. Im Jahr 2018 wurde BiodivERsA als übergreifende Dachstruktur gegründet, unter der zurzeit vier ERA-Nets Cofund – BiodivERsA3 (2015), BiodivScen (2017), BiodivClim (2019), BiodivRestore (2020) – parallel verwaltet werden. Die Anzahl der Partner ist stetig angestiegen und beträgt aktuell 39 Institutionen aus 25 Ländern und sechs Überseeterritorien. Das Sekretariat befindet sich in Paris bei der „Fondation pour la Recherche sur la Biodiversité" (FRB). 2016 wurde eine gemeinsame Strategische Forschungs- und Innovationsagenda verabschiedet, deren Umsetzung in regelmäßig aktualisierten Implementierungsplänen konkretisiert wird. Die thematischen Schwerpunkte in BiodivERsA werden durch die Förderorganisationen sowie von Expertinnen und Experten erarbeitet. Die aktuelle Bekanntmachung ist der zehnte pan-europäische bzw. internationale Call.