Unterwasserlärm im Meer: Europäische Forschungsinitiative startet
Der durch den Menschen verursachte Lärm im Meer steigt beständig an. Diese Lärmverschmutzung kann die Gesundheit ganzer mariner Populationen schädigen, denn die meisten Meerestiere nutzen Schall für lebenserhaltende Funktionen. Die Folgen: Sowohl Produktivität und Fortpflanzung als auch die Widerstandsfähigkeit mariner Ökosysteme können beeinträchtigt werden – und somit auch die Nahrungsgrundlagen des Menschen. Der Erforschung dieser Folgen widmet sich nun eine gemeinsame europaweite Initiative.
Vier deutsche Institutionen werden sich an der europaweiten Forschungsinitiative JPI Oceans zu den Auswirkungen von Unterwasserlärm auf die Meeresumwelt beteiligen. Die Vorhaben des Alfred-Wegener-Instituts, der Universität Kiel, der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie wurden von einem internationalen Gremium unabhängiger Expertinnen und Experten sowie Vertreterinnen und Vertretern der beteiligten europäischen Staaten nach eingehender Begutachtung ausgewählt.
Ziel ist, mehr Daten über die Ausmaße und Konsequenzen von Unterwasserlärm auf Ökosysteme zu sammeln und bestehende Wissenslücken zu schließen. Zu diesem Thema startete das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Zusammenarbeit mit sieben weiteren europäischen Partnerländern (Belgien, Irland, Italien, Norwegen, Polen, Rumänien, Spanien) im November 2021 erstmalig eine gemeinsame Förderbekanntmachung zu „Unterwasserlärm in der marinen Umwelt“. Die Gesamtfördersumme des BMBF beläuft sich in diesem Zusammenhang auf 1,62 Millionen Euro.
Die Förderung unterstützt deutsche Forschungsinstitutionen, die Forschung zu Unterwasserlärm voranzutreiben und daraus abzuleitende Kriterien und Maßnahmen für eine Minderung der ökologischen Auswirkungen von Lärm zu entwickeln. Diese Handlungsempfehlungen sollen zum Erreichen eines guten Umweltzustandes der europäischen Meere beitragen.
Das Gremium hat aus 13 Anträgen folgende fünf Projekte zur Förderung ausgewählt:
- ORCHESTRA – Antworten des Ökosystems auf kontinuierliche Offshore-Schallspektren;
- DeuteroNoise – Charakterisierung von maritimem Lärm in verschiedenen europäischen Meeresbecken und der Einfluss auf ökologisch relevante wirbellose Neumundtiere;
- DIAPHONIA – Diagnostischer Rahmen zur Bewertung und Vorhersage der Auswirkungen von Unterwasserlärm auf Meeresarten;
- SONORA – Schwellenwertbewertung und -einfluss jenseits akustischer Druckpegel in Verbindung mit aufkommenden Aktivitäten des blauen Wirtschaftswachstums;
- PURE WIND – Einfluss von Schall auf Meeresökosysteme durch Offshore-Windenergieerzeugung.
Einer der ausgewählten Forschungsverbünde, das Projekt ORCHESTRA, wird von einer deutschen Forschungseinrichtung koordiniert: dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Des Weiteren ist auch die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit einem Vorhaben an ORCHESTRA beteiligt. Die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover ist mit je einem Vorhaben an den Verbünden DIAPHONIA und PURE WIND beteiligt. Letzteres wird auch durch Forschungsaktivitäten des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) unterstützt. Alle Vorhaben haben zu Beginn des Jahres 2023 ihre Arbeit aufgenommen. Zur Abstimmung ihrer Aktivitäten und zur Diskussion projektübergreifender Herausforderungen und Synergien über die dreijährige Förderungslaufzeit (bis 31.12.2025) haben sich alle Projektverbünde kürzlich zu einem gemeinsamen Kickoff-Treffen in Brüssel zusammengefunden.
Die Forschungsvorhaben werden unter der Joint Programming Initiative on Healthy and Productive Seas and Oceans (JPI Oceans) gebündelt. JPI Oceans koordiniert die europäischen Aktivitäten zur Meeresforschung. Die Fördermaßnahme „Unterwasserlärm in der marinen Umwelt“ ist der erste JPI Oceans Beitrag zur UN Ozeandekade 2021-2030 und soll zur Umsetzung der Europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) beitragen.