„Eichen gelten als zukunftsfähig im Klimawandel“ - Interview mit Dr. Charalambos Neophytou
Dr. Charalambos Neophytou untersucht im internationalen Verbundvorhaben ACORN die Klimaresilienz von Eichen in Europa.
Herr Dr. Neophytou, können Sie uns über die Anfänge und Ziele des Projekts „ACORN" berichten?
Dr. Charalambos Neophytou: Acorn steht für die Eichel, den Samen der Eiche. Im ACORN-Projekt haben sich Partner aus fünf unterschiedlichen Ländern (Deutschland, Schweiz, Österreich, Griechenland und Türkei) zusammengeschlossen, um Eichenbestände zu identifizieren, die als Saatgutquelle zur Begründung klimaresistenter Wälder dienen können. Wir untersuchen vor allem solche Bestände, die unter besonders trockenen Klima- und Standortbedingungen wachsen. Unsere zentrale Hypothese ist, dass an diesen Orten eine natürliche Auslese dafür gesorgt hat, dass besonders trockentolerante genetische Varianten sich über die Generationen im Erbgut der Eichen etabliert haben. Um diese Hypothese zu prüfen, setzen wir modernste Methoden der Genetik um.
Das Projekt soll dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels auf den Eichenwald besser einzuschränken. Wie wird das konkret umgesetzt?
Zunächst überprüfen wir, ob sich die Erbanlagen der Eichen in unseren Untersuchungsbeständen tatsächlich an Trockenstress angepasst haben. Konkret stellt sich die Frage, ob das Auftreten bestimmter genetischer Varianten mit Trockenheit zusammenhängt. Zudem haben wir Samen aus unseren Untersuchungsbeständen in drei Feldversuchen (in Zürich, Wien und Ankara) ausgesät, um zu schauen, ob auch die Nachkommen über eine hohe Trockentoleranz verfügen. Ziel ist es, Bestände zu identifizieren, die besonders gut gegen den Klimawandel gewappnet sind, um diese dann künftig als Quellen zur Saatguternte zu nutzen. Die Analyse umfasst 120 Untersuchungsbestände und mehr als 3000 Bäume in allen Partnerländern und darüber hinaus.
Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Eichenpopulation?
In Mitteleuropa sind andere Baumarten wie die Fichte, die Tanne oder die Buche stärker vom Klimawandel betroffen, da sie auf höhere Niederschläge angewiesen sind als die Eiche. Es wird sogar erwartet, dass der Anteil dieser Baumarten im Wald bei zunehmender Temperatur und Dürre zugunsten der Eiche abnehmen wird. Daher gelten Eichen als zukunftsfähig im Klimawandel. Allerdings litten auch Eichen unter bisherigen Trockenereignissen wie zum Beispiel in den Dürrejahren 2018 und 2019. Es stellt sich daher die Frage, wie wir die Produktivität und Stabilität von Eichenwäldern im Klimawandel fördern können. Der Einsatz von Saatgut von Eichen, die sich bereits an Dürre angepasst haben, könnte die Klimaresilienz der zukünftigen Wälder deutlich erhöhen.
Welche Erwartungen und Wünsche haben Sie nach Abschluss des Projektes?
Ich bin auf die Ergebnisse der genetischen Analysen im ACORN-Projekt sehr gespannt, denn diese basieren auf einer sehr großen Menge an Untersuchungsdaten. Eine wichtige Frage ist, ob es auch auf regionaler Ebene zu Trockenanpassung gekommen ist. Falls sich das bestätigen sollte, dann könnten wir vor Ort auf klimaresilientes Saatgut zurückgreifen. Denn je weiter Saatgut verfrachtet wird, desto höher ist das Risiko einer Fehlanpassung. Das Projekt ist so konzipiert, dass wir die Anpassung sowohl regional als auch international untersuchen. Ich erhoffe mir, dass die Projektergebnisse eine solide Basis dafür bieten, um Handlungsempfehlungen für die forstliche Praxis erarbeiten zu können.
BiodivERsA
BiodivERsA ist ein Netzwerk nationaler Förderorganisationen in der Biodiversitätsforschung. BiodivERsA wurde 2005 als ERA-Net (European Research Area Network) im 6. Forschungsrahmenprogramm der EU initiiert und durch weitere ERA-Nets fortgeführt. Im Jahr 2018 wurde BiodivERsA als übergreifende Dachstruktur gegründet, unter der zurzeit vier ERA-Nets Cofund – BiodivERsA3 (2015), BiodivScen (2017), BiodivClim (2019), BiodivRestore (2020) – parallel verwaltet werden. Die Anzahl der Partner ist stetig angestiegen und beträgt aktuell 39 Institutionen aus 25 Ländern und sechs Überseeterritorien. Das Sekretariat befindet sich in Paris bei der „Fondation pour la Recherche sur la Biodiversité" (FRB). 2016 wurde eine gemeinsame Strategische Forschungs- und Innovationsagenda verabschiedet, deren Umsetzung in regelmäßig aktualisierten Implementierungsplänen konkretisiert wird. Die thematischen Schwerpunkte in BiodivERsA werden durch die Förderorganisationen sowie von Expertinnen und Experten erarbeitet.