BaltVib – Naturbasierte Lösungen zur Eindämmung von Vibrio-Bakterien in Küstengewässern

Prof. Dr. Matthias Labrenz und Dr. Sandra Kube vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) untersuchen im internationalen Verbundvorhaben „BaltVib“ die Entwicklung von pathogenen Vibrio-Bakterien in den Küstengewässern der Ostsee. Vibrio-Bakterien sind natürlicher Bestandteil des Ostseeplanktons, aber auch ein Gesundheitsrisiko für Menschen.

Prof. Labrenz, wofür steht das Akronym BaltVib?

Ausformuliert heißt BaltVib "Pathogenic Vibrio bacteria in the current and future Baltic Sea waters: mitigating the problem" – in Deutsch: Pathogene Vibrio-Bakterien in den jetzigen und zukünftigen Gewässern der Ostsee: Minderung des Problems. Wir gehen davon aus, dass die durch Vibrio vulnificus verursachten Infektionen angesichts steigender Wassertemperaturen unter Brackwasserbedingungen weiter zunehmen werden. Betroffen sind weite Bereiche der Ostsee. Es besteht die Gefahr, dass sich potenziell tödliche Vibrio vulnificus-Infektionen insbesondere auf die Tourismusbranche an der Ostseeküste negativ auswirken könnten. Aus diesem Grund haben wir mit weiteren internationalen Partnerinstitutionen aus sieben Ostseeanrainerstaaten das BaltVib-Projekt ins Leben gerufen. Unser Ziel ist es, die Infektionsgefahr vor allem mit naturbasierten Methoden einzudämmen.

Frau Dr. Kube, was sind pathogene Vibrio und warum stellen sie eine erhebliche Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar?

Bakterien der Gattung Vibrio gehören natürlicherweise zur bakteriellen Gemeinschaft mariner Ökosysteme und kommen in Küsten-, Ästuar-, Brack- und Süßgewässern sowie in Sedimenten vor. Oft treten sie in Verbindung mit Krebstieren, Fischen und Weichtieren auf. Die Gattung Vibrio umfasst circa 130 beschriebene Arten, von denen etwa ein Dutzend Infektionen bei Menschen, Fischen oder Muscheln verursachen kann. In den letzten Jahren wurden im Ostseeraum mehrere Fälle von schweren Wundinfektionen und damit zusammenhängende Todesfälle, insbesondere verursacht durch Vibrio vulnificus, gemeldet. Die Tendenz dieser Infektionen steigt. Nach einer tödlich verlaufenden Vibrio vulnificus-Infektion warnten die offiziellen deutschen Behörden daher im Jahr 2018 erstmals immungeschwächte Personen vor dem Schwimmen in der Ostsee.

Vibrio vulnificus

Vibrio vulnificus ist ein Bakterium, das mit dem Cholera-Bakterium (Vibrio cholerae) verwandt ist und natürlicherweise in Salz- und Brackwasser vorkommt. Es gedeiht am besten bei Wassertemperaturen von über 20 °C. Dabei beeinflusst es weder den Geschmack, das Aussehen noch den Geruch des Meerwassers. Die Infektion mit Vibrio vulnificus kann zu schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Erkrankungen führen.

Frau Dr. Kube, welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Vibrio?

Die Ostsee ist ein Meer mit einem Einzugsgebiet für circa 90 Millionen Menschen, welches unter starkem anthropogenen Druck steht. Für die Ostseeregion werden weitreichende Auswirkungen des Klimawandels vorhergesagt, darunter unvorhersehbare Hitzewellen und ein Anstieg der Oberflächentemperatur um 2-4 Grad Celsius bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Vibrionen wie Vibrio vulnificus profitieren von erhöhten Wassertemperaturen und vermehren sich insbesondere bei Wassertemperaturen über 20 Grad Celsius. In gemäßigten Regionen treten die höchsten Infektionsraten zwischen Mai und Oktober auf. Infolgedessen führten insbesondere die Hitzewellen in Nordeuropa in den Jahren 1994, 2003, 2006, 2010, 2014 und 2018 zu vermehrten Vibrio-Wundinfektionen in der Region.

Prof. Labrenz, was erhoffen Sie sich vom Projekt?

Wir erwarten uns Erkenntnisse darüber, ob gesunde Flachwasserhabitate wie Seegraswiesen tatsächlich pathogene Bakterien, wie zum Beispiel Vibrionen, in ihrer Anzahl kontrollieren können. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, dann sollten wir im Rahmen des Projekts BaltVib in der Lage sein, naturbasierte Lösungen zur Verminderung der Ausbreitung von Vibrionen zu entwickeln. Dazu könnte zum Beispiel die Ansiedlung von Seegraswiesen in dafür geeigneten Habitaten zählen. Als zusätzlicher Nutzen wären unsere Ergebnisse auf mehrere Randmeere weltweit übertragbar, da die durch den Klimawandel bedingten außerordentlich schnellen Veränderungen in der Ostsee sie zu einem idealen Modellsystem für Küstengebiete im Allgemeinen machen.

Das internationale BaltVib-Projekt wird im Rahmen des europäischen BiodivERsA-Porgramm gefördert. Am internationalen Projekt sind neben dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das Meeresforschungsinstitut der litauischen Universität Klaipèda, die Universität Kopenhagen, die Estnische Universität für Lebenswissenschaften, das Königliche Institut für Technologie Stockholm, die finnische Åbo Akademi Universität und Polens Nationales Forschungsinstitut für Meeresfischerei beteiligt.

BiodivERsA

BiodivERsA ist ein Netzwerk nationaler Förderorganisationen in der Biodiversitätsforschung. BiodivERsA wurde 2005 als ERA-Net (European Research Area Network) im 6. Forschungsrahmenprogramm der EU initiiert und durch weitere ERA-Nets fortgeführt. Im Jahr 2018 wurde BiodivERsA als übergreifende Dachstruktur gegründet, unter der zurzeit vier ERA-Nets Cofund – BiodivERsA3 (2015), BiodivScen (2017), BiodivClim (2019), BiodivRestore (2020) – parallel verwaltet werden. Die Anzahl der Partner ist stetig angestiegen und beträgt aktuell 39 Institutionen aus 25 Ländern und sechs Überseeterritorien. Das Sekretariat befindet sich in Paris bei der „Fondation pour la Recherche sur la Biodiversité" (FRB). 2016 wurde eine gemeinsame Strategische Forschungs- und Innovationsagenda verabschiedet, deren Umsetzung in regelmäßig aktualisierten Implementierungsplänen konkretisiert wird. Die thematischen Schwerpunkte in BiodivERsA werden durch die Förderorganisationen sowie von Expertinnen und Experten erarbeitet.