ForestFisher: Erforschung des Lebensraums früchtefressender Fische zum Erhalt der Wälder im Amazonasbecken

Früchtefressende Fische leisten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der tropischen Wälder. Doch Überfischungen, Landnutzungs- und Klimaveränderungen gefährden die Bestände. Prof. Dr. Walter de Vries und seine Kolleginnen und Kollegen vom Forschungsvorhaben ForestFisher untersuchen die Auswirkungen auf die früchtefressenden Fischarten.

Prof. Dr. de Vries, welche Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt ForestFisher?
In unserem internationalen Forschungsvorhaben befassen wir uns insbesondere mit drei wichtigen Fragen: Wie wirken sich die Landnutzungsänderungen auf die Vielfalt der frugivoren (früchtefressenden) Fische aus? Werden sich Klima-, Landnutzungs- und Flussfragmentierungsveränderungen im Amazonaseinzugsgebiet auf die Verfügbarkeit geeigneter Gebiete für frugivore Fischarten auswirken und dadurch die Ökosystemleistungen, die diese Fischpopulationen erbringen, gefährden? Wie werden sich die Verschiebungen in der Verteilung der frugivoren Fischarten auf die Fischergemeinschaften und ihre traditionellen Fischgründe auswirken?
Frugivore Fische tragen zur Vielfalt in Fisch- und Pflanzengemeinschaften bei und sind eine wichtige Nahrungs- und Einkommensquelle für die lokale Bevölkerung. Wir entwickeln Modelle und Szenarien für die künftige Landnutzung und Bodenbedeckung, mit dem Ziel diese in die Ökosystemleistungen zu integrieren.

Wie wirken sich die durch den Klimawandel bedingten Veränderungen im Amazonasbecken auf die Fischbestände aus und welchen Einfluss haben nicht-einheimische Arten?
Die Veränderungen verschiedener Umweltfaktoren führen zu einer Verringerung der Existenzmöglichkeiten für Fischergemeinschaften, und stellen eine ernsthafte Bedrohung für Süßwasserökosysteme dar. Diese potentielle Gefahr ergibt sich aus ihrem Einfluss auf die Abflussdynamik, die Strömungsmuster, die Wassertemperatur und die Wasserqualität insgesamt. Fische sind aufgrund ihrer engen Verbindung zu hydrologischen Schwankungen besonders anfällig. Wichtig im Amazonasgebiet sind diejenigen Fische, die sich frugivor ernähren, da sie einen erheblichen Einfluss auf die Erhaltung der Waldvielfalt haben. Darüber hinaus sind sie eine wichtige Ernährungs- und Einkommensquelle für die lokale Bevölkerung. Verschiedene Fischarten im Amazonasgebiet wie Serrasalmidae, Bryconidae, Triportheidae und Anostomidae, fressen Früchte, die ins Wasser fallen, und damit verbreiten sie die fruchttragenden Baum- und Lianenarten.

In Ihrem ForestFisher-Projekt verfolgen Sie einen ganzheitlichen Ansatz. Was genau ist damit gemeint und wie gehen Sie dabei vor?
Frugivore Fische spielen eine entscheidende Rolle bei der Interaktion zwischen Tieren und Pflanzen und der Aufrechterhaltung der biologischen und funktionalen Vielfalt der Ökosysteme Amazoniens. Durch die Verbreitung von Samen entlang der Flusskanäle tragen sie nicht nur zur Etablierung der Ufervegetation bei, sondern spielen als wichtige Nahrungs- und Einkommensquelle eine grundlegende sozioökonomische Rolle für die traditionellen Gemeinschaften Amazoniens. Ziel des Projekts ist die Identifizierung geeigneter Gebiete für den Schutz und die Wiederherstellung der Wechselwirkungen zwischen Wäldern und Fischen sowie der damit verbundenen Ökosystemleistungen. Wir werden die klimatisch geeigneten Gebiete für frugivore Fischarten, die Ufervegetation, die Wanderungsmöglichkeiten für die Fische innerhalb des hydrographischen Netzes und die derzeitige Lage der Fischgründe näher untersuchen, um geschützte und zukünftige klimatische Rückzugsräume zu definieren.

Wie werden Sie die lokale Bevölkerung durch Citizen Science-Methoden einbeziehen und wie kann diese Methode eine langfristige Zusammenarbeit fördern?
Im Projekt ForestFisher stehen insbesondere die Akteure der Fischerei, der Forstwirtschaft und der Wasserkraft im Mittelpunkt. Der Fischereisektor wird aktiv in den Projektablauf integriert. Dabei planen wir mit mehr als 2500 Fischerfamilien, entlang von 5000 km Flussläufen, in den Dialog zu treten. Der Austausch mit lokalen Führungskräften ist besonders wichtig, denn die vor Ort ansässigen und traditionellen Gemeinschaften werden die Hauptnutzer der aus diesem Projekt resultierenden Kenntnisse und Instrumente sein. Mit ihnen möchten wir uns in Workshops und regelmäßigen Begegnungen über die Auswirkungen des Klimawandels, der Entwaldung und über den Verlust der funktionalen Verbindung zwischen den Flüssen auf kommerziell wertvolle frugivore Fische austauschen.

Was sind Ihre Erwartungen nach Abschluss des Projekts?
Das Projekt verdeutlicht, wie sich die jüngsten Landnutzungsänderungen in Verbindung mit Klimaveränderungen und der Fragmentierung der Flüsse auf die Vielfalt frugivorer Fische und ihre Ökosystemleistungen im Amazonasbecken auswirken. Wir hoffen mit unseren Ergebnissen vor allem die Fischereigemeinden für die Bedrohungen der frugivoren Fischarten und ihrer Ökosysteme zu sensibilisieren und sie damit auch in ihrer Eigenverantwortung und ihrem Engagement zu stärken. Die Ergebnisse des Projekts werden nicht nur das Bewusstsein für die lebenswichtige Rolle der frugivoren Fische bei der Erhaltung des Ökosystems des Amazonas schärfen, sondern auch neue Einblicke in die komplexen Beziehungen zwischen Umweltveränderungen, aquatischer Biodiversität und menschlichem Wohlergehen ermöglichen.

BiodivERsA

BiodivERsA ist ein Netzwerk nationaler Förderorganisationen in der Biodiversitätsforschung. BiodivERsA wurde 2005 als ERA-Net (European Research Area Network) im 6. Forschungsrahmenprogramm der EU initiiert und durch weitere ERA-Nets fortgeführt. Im Jahr 2018 wurde BiodivERsA als übergreifende Dachstruktur gegründet, unter der zurzeit vier ERA-Nets Cofund – BiodivERsA3 (2015), BiodivScen (2017), BiodivClim (2019), BiodivRestore (2020) – parallel verwaltet werden. Die Anzahl der Partner ist stetig angestiegen und beträgt aktuell 39 Institutionen aus 25 Ländern und sechs Überseeterritorien. Das Sekretariat befindet sich in Paris bei der „Fondation pour la Recherche sur la Biodiversité" (FRB). 2016 wurde eine gemeinsame Strategische Forschungs- und Innovationsagenda verabschiedet, deren Umsetzung in regelmäßig aktualisierten Implementierungsplänen konkretisiert wird. Die thematischen Schwerpunkte in BiodivERsA werden durch die Förderorganisationen sowie von Expertinnen und Experten erarbeitet.