DEEP REST: Erforschung möglicher Umweltauswirkungen des Tiefseebergbaus

Zur Herstellung digitaler Geräte werden wichtige Metalle benötigt, die in aufwändigen Bergbauverfahren gewonnen werden müssen. Die weltweit steigende Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen rückt die Ozeane zunehmend in den Fokus der Bergbauindustrie. Dr. Matthias Haeckel vom Verbundvorhaben DEEP REST untersucht mit seinen europäischen Kolleginnen und Kollegen die Artenvielfalt der Tiefsee und die möglichen Auswirkungen zukünftigen Tiefseebergbaus auf die einzigartigen marinen Ökosysteme.

In den dreißig Jahren seiner wissenschaftlichen Arbeit bezog Dr. Matthias Haeckel seine Forschungsmotivation aus unterschiedlichen Quellen. Den roten Faden bildet jedoch der Transfer von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung, zum Beispiel das Prozessverständnis in der Natur, in die Anwendung. Dabei interessiert er sich vor allem für industrielle Tätigkeiten und für Bereiche, die sich mit gesellschaftlichen oder politischen bzw. regulatorischen Bedarfen befassen.

DEEP REST
Im Biodiversa-Projekt „DEEP REST" untersucht er gemeinsam mit europäischen Meeresforschenden die Ökosysteme der Tiefsee und deren lebensgemeinschaftliche Funktionen. Die Tiefsee ist durch besonders vielfältige Organismen gekennzeichnet, die nur in diesen Lebensräumen anzutreffen sind. Am Meeresboden in Wassertiefen von vier bis sechs Kilometern wachsen zum Beispiel seit vielen Millionen Jahren sogenannte Manganknollen. Auch bilden sich an mittelozeanischen Rücken als „schwarze Raucher" bezeichnete geothermale Quellen. Deren Lebensräume sind allerdings durch den absehbaren Tiefseebergbau gefährdet.

Zum Schutz der Meeresumwelt vor schwerwiegenden Schäden durch den Tiefseebergbau entwickelt die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) seit einigen Jahren den sogenannten „Mining Code". Dahinter verbergen sich international verbindliche Vorschriften für den „Abbau mineralischer Rohstoffe am Meeresboden". Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS), das 1994 ratifiziert wurde, hat der ISA diese Aufgabe übertragen. Mit ihren Forschungsarbeiten tragen Dr. Haeckel und seine Kolleginnen und Kollegen zur Wissensbasis bei und unterbreiten der ISA konkrete Vorschläge zur Ausarbeitung des Mining Codes. Dies betrifft zum Beispiel Kriterien zur Einrichtung von Schutzgebieten, in denen kein Abbau stattfinden darf, um die Artenvielfalt in den Meeresgebieten erhalten zu können. Darüber hinaus testet das Team in Experimenten, ob eine Renaturierung der durch Tiefseebergbau zerstörten Lebensräume möglich ist, z. B. durch Ausbringen von künstlichen Knollen. „Unsere bisherigen Arbeiten zeigen allerdings ganz klar, dass eine solche Renaturierung nicht innerhalb von Jahrzehnten gelingen wird, sondern sehr viel längere Zeiträume beanspruchen dürfte. Das Leben in der Tiefsee läuft aufgrund des geringen Nahrungsangebots sehr, sehr langsam ab", betont Dr. Haeckel.

Inter- und transdiziplinäre Zusammenarbeit und gesellschaftliche Verantwortung
Ein wesentlicher Bestandteil des Verbundvorhabens ist die inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit. Neben der ISA und seinen Organen pflegt das Team einen intensiven Austausch mit vielen nationalen und internationalen Stakeholdern, wie NGOs, Kontraktoren, Unternehmen und Behörden, die beim Thema Tiefseebergbau aktiv sind. Die Arbeiten im DEEP REST-Projekt gehen über die rein naturwissenschaftliche Forschung hinaus. So arbeiten auch Expertinnen und Experten aus den Rechts- und Sozialwissenschaften im Vorhaben mit: „Die Kolleginnen und Kollegen haben unter anderem Befragungen von Personen zum Thema „Tiefseebergbau und seine Umweltauswirkungen" in mehreren europäischen Ländern durchgeführt. Zudem informieren wir mit öffentlichen Vorträgen, haben mehrfach mit Künstlerinnen und Künstlern aus dem Bereich Multimedia und Theater zusammengearbeitet, Projektarbeiten mit Schulen durchgeführt und zahlreiche Interviews für Zeitungen, Magazine, Radio, Fernsehen, Online Medien gegeben."
Die gesellschaftliche Teilhabe ist für Dr. Haeckel essentiell: „Es ist wichtig, bei diesem Thema den gesellschaftlichen Diskurs anzuregen, denn die Entscheidung bezüglich Tiefseebergbau betrifft uns alle: Der Meeresboden und seine Rohstoffe sind im internationalen Recht als Erbe der Menschheit definiert. Das heißt, wir alle haben ein Mitspracherecht beim verantwortungsvollen Abbau und Schutz dieser einzigartigen Meeresumwelt und seiner Funktionen zur Erhaltung der Gesundheit unseres Planeten."

Umweltauswirkungen durch den Tiefseebergbau
Die Umweltauswirkungen des Tiefseebergbaus werden langfristig zu spüren sein, betont Dr. Haeckel: „Das spezielle Ökosystem, das durch die Manganknollen als Hartsubstrat gebildet wird, ist in den Abbaugebieten für immer verloren." Denn beim Tiefseebergbau werden nicht nur die Manganknollen als fossile Ressource, sondern gleichzeitig deren belebte obere Sedimentschicht entfernt, in der die essentiellen Prozesse für das Ökosystem der Tiefsee ablaufen. Diese Schicht muss durch Absinken von organischem Material (abgestorbenes Plankton) neu aufgebaut werden. Die Regeneration dieser Prozesse benötigt viele Tausend Jahre. Beim Manganknollenabbau betrifft dies mehrere Hundert Quadratkilometer pro Jahr und Abbauoperation.

„Für einen signifikanten Beitrag zu unserem zukünftigen Metallbedarf wären sehr viele parallele Abbauoperationen erforderlich – es würden also sehr große Flächen Tiefseeboden zerstört und wir können derzeit nicht beantworten, welche weitreichenden Auswirkungen dies regional und überregional haben wird. Denn wir verstehen derzeit weder die Vernetzungen der Prozesse im Ökosystem, noch können wir die Biodiversität in der Tiefsee beziffern. Auch verstehen wir noch nicht die räumlichen Verbindungen von Populationen einer Art, die sich über viele Tausend Kilometer erstreckt", unterstreicht Dr. Haeckel. Weitere Unsicherheiten bestehen beim Festlegen konkreter Schadgrenzwerte, die wichtige Bestandteile der ISA-Regularien sind. Das im Seerechtsübereinkommen festgelegte „Vorsorgeprinzip" stehe damit im Konflikt mit dem Voranpreschen einiger Firmen und Staaten, die mit Tiefseebergbau beginnen wollen.

Das im Projekt DEEP REST forschende Team setzt seine Arbeiten im Rahmen der dritten Phase des JPI Oceans-Projektes „MiningImpact" fort. So kann es die Entwicklung des Mining Codes der ISA weiter mit wissenschaftlichen Erkenntnissen unterstützen. Die öffentliche Forschungsförderung bewahrt dabei die wissenschaftliche Unabhängigkeit des Forschungsteams.

 

Biodversa+

Die europäische Biodiversitätspartnerschaft Biodiversa+ ist ein Netzwerk aus 81 Förderorganisationen aus 40 Ländern, die 2021 aus dem europäischen Netzwerk BiodivERsA entstanden ist. Biodiversa+ verfolgt fünf wesentliche Ziele:

  1. Förderung von Forschung und Innovation durch Förderbekanntmachungen und Kapazitätsaufbau
  2. Aufbau eines harmonisierten europaweiten Monitoringsystems
  3. Naturbasierte Lösungen für und Wertschätzung von Biodiversität im privaten Sektor
  4. Wissenschaftsbasierte Entscheidungsunterstützung für Politik
  5. Förderung europäischer Biodiversitätsforschung