AI4wildLIVE: Wie Langzeitrekorder und Kamerafallen ein besseres Bild der ökologischen Dynamik ermöglichen

Um den Verlust von Biodiversität zu beobachten, zu beschreiben und zu verstehen, werden zunehmend auch audiovisuelle Methoden in Monitoring-Programmen verwendet. Im Projekt AI4WildLIVE führen Dr. Martin Jansen und sein Team erstmalig Archiv, Analyse und Citizen Science auf einem Portal zusammen.

Schon als Kind hat sich Dr. Martin Jansen sehr stark für Natur und Tiere, damals vor allem Vögel, interessiert. Somit war es naheliegend, dass er den beruflichen Weg als „Naturforscher" einschlagen würde. Hinzu kam die Faszination für Entdeckungen und Abenteuer. Sein Studium absolvierte er folglich im Hauptfach Zoologie. Allerdings habe er schnell gemerkt, dass ihm die Praxis fehlte. Exkursionen und vor allem Forschungsreisen während der Diplom- und Doktorarbeit konnten letztlich alle seine Erwartungen erfüllen. Heute unternimmt Dr. Jansen keine langen und anspruchsvollen Reisen mehr, aber den Blick in die Wildnis versucht er sich zu bewahren. „Durch die Forschungsarbeit wird auch die Sorge um die Wildnis und die Natur immer größer", stellt er fest. Auch das ist ein wichtiger Antrieb für seine Forschung.

Fördermaßnahme BiodivKI

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert in der Förderrichtlinie „Methoden der Künstlichen Intelligenz als Instrument der Biodiversitätsforschung" Forschungsprojekte, die den Methodenschatz der Biodiversitätsforschung durch KI-Anwendungen und den innovativen Einsatz der Digitalisierung erweitern. Die Fördermaßnahme ist Teil der 2019 gestarteten „Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt" des BMBF.

AI4wildLIVE
Mit Hilfe autonomer Geräte ist es heutzutage in der Biodiversitätsforschung so einfach wie nie zu vor, Beobachtungen zu machen. In sogenannten Biodiversitätsmonitoring-Programmen werden flächendeckend autonome Langzeitrekorder (für Audioaufnahmen von z. B. Vögeln, Fröschen oder Fledermäusen) oder Kamerafallen (z. B. zur Dokumentation von Säugetieren) errichtet, um Natur zu beobachten und Veränderungen zu erkennen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort bringen Kamerafallen und Audiorekorder im Feld an. Sie müssen die Geräte regelmäßig auslesen, auf Funktionstüchtigkeit überprüfen und gegebenenfalls Batteriewechsel durchführen. „Das hört sich unspektakulär an, aber da die Untersuchungsgebiete sehr groß sind und die Kameras teilweise an abgelegenen Stellen hängen, ist das ein enormer logistischer Aufwand für unsere Teams vor Ort und dauert oft mehrere Tage", erläutert Dr. Jansen. Die Transdisziplinarität ist eine Herausforderung: Es müssen verschiedene Arbeitsfelder ineinandergreifen und aufeinander aufbauen.

Danach werden die Daten zur Verarbeitung und Analyse ans AI4wildLIVE-Team geschickt. Sie verbreiten das generierte Wissen und bereiten es für Entscheidungsträgerinnen und -träger zur Umsetzung auf. Wie in vielen anderen Bereichen auch, sammeln sich hier sehr schnell große Datenmengen an, die es zu archivieren gilt. Daher ist die Hauptfrage des Projekts, wie das Team die Daten möglichst im Hochdurchsatz bzw. nahezu in Echtzeit auswerten könnte. „Für den Naturschutz bringt es nichts, wenn wir die Daten aus solchen 'Biomonitorings' nur sammeln und ablegen. Wir müssen sie auswerten, um ein möglichst aktuelles Wissen über den Zustand der Natur zu erhalten. Daher wollen wir mit unserem Portal dabei helfen, den großen Datenfluss in solchen Projekten besser und schneller, das heißt effektiver zu bearbeiten", erläutert Dr. Jansen.

Unterstützung durch Bürgerinnen und Bürger
Des Weiteren erhofft sich Dr. Jansen von seinem Projekt einen Beitrag zur gesellschaftlichen Transformation: „Der Wissenstransfer in die Gesellschaft ist eine große Aufgabe des Projekts. Wir beteiligen viele Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, sogenannte Citizen Scientists. Sie erhalten einen einzigartigen Einblick in die Natur der Untersuchungsgebiete, aber auch in die dortigen Probleme, wie zum Beispiel die massiven Abholzungen", betont er. Bürgerinnen und Bürgern unterstützen die Projekte, indem sie online Kamerafallenbilder klassifizieren, d. h. ordnen und die Arten auf den Bildern bestimmen. „Da wir bereits seit 2020 mit Bürgerinnen und Bürgern auf einer herkömmlichen Plattform zusammenarbeiten, wissen wir ganz gut, was sie zu uns zieht, aber auch, was sie bei uns hält", erklärt Dr. Jansen. Die wichtigsten Motivationsfaktoren sind der Wissenszuwachs, gefolgt vom Bedürfnis nach sinnvoller Betätigung durch Unterstützung von Wissenschaft und Naturschutz.

„Wir wollen bleiben"
In der ersten Phase beschränkt sich das Projektteam auf seine langjährigen Untersuchungsgebiete in Bolivien und Südafrika. In der zweiten Phase soll das Projekt auf andere Lokalitäten in Südamerika (Argentinien und Paraguay) ausgeweitet werden. Aber auch Datenreihen aus der Ukraine, Polen und eventuell auch Deutschland sind geplant. Obwohl Dr. Jansen mit seinem Team gerade erst begonnen hat, hat er klare Vorstellungen von der Zukunft des Projekts: „Wir wünschen uns, dass das Portal ein dauerhaftes Werkzeug im Bereich Biomonitoring sein wird, das den Bedürfnissen von großen Kamerafallenprojekten dauerhaft gerecht wird. Natürlich soll sich die Plattform weiter entwickeln, um sich an neue Bedarfe anzupassen, aber auch, um neue Entwicklungen (z. B. auf KI-Ebene) aufzunehmen bzw. zu integrieren. Mit anderen Worten: Wir wollen bleiben." Von den politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern erwartet er vor allem, dass seine Ergebnisse genutzt werden: „Es droht ein massiver Biodiversitätsverlust. Unser Projekt hilft dabei, diesen besser zu verstehen. Wir wünschen uns, dass unsere Einschätzungen anerkannt werden und dass Maßnahmen ergriffen werden, um Biodiversitätsverlust zu verhindern."