SoilRise: „Regenwürmer werden in ihrer Bedeutung für die Biodiversität sehr oft unterschätzt“

Regenwürmer spielen für die Fruchtbarkeit von Böden eine wichtige Rolle. Doch die biologische Vielfalt der Böden ist bislang vergleichsweise wenig erforscht. Dr. Martin Potthoff, wissenschaftlicher Koordinator am „Zentrum für Biodiversität und nachhaltige Landnutzung“ in Göttingen, will das im europäischen Verbundvorhaben SoilRise ändern.

Seit Abschluss seines Studiums der Biologie hat Dr. Martin Potthoff zum Ausgleich der Interessen des Natur- und Umweltschutzes einerseits und der betriebswirtschaftlichen Interessen in der Landwirtschaft andererseits geforscht – zunächst in einem großen agrarwissenschaftlichen Projekt, später an anderen beruflichen Stationen. Aktuell ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am „Zentrum für Biodiversität und nachhaltige Landnutzung" in Göttingen tätig.

SoilRise – Regenwürmer, die unverzichtbaren Helfer
Gegenwärtig richtet Dr. Potthoff sein Augenmerk auf Bodenorganismen und hier speziell auf Regenwürmer. „Denn Bodenorganismen werden in ihrer Bedeutung für die Biodiversität sehr oft unterschätzt, sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch in der Wissenschaft", so ist er überzeugt. Interessensgruppen wie Landwirtinnen und Landwirte, lokale Behörden und Stadtplanerinnen und -planer zeigen zunehmend Interesse an einfachen und zuverlässigen Indikatoren zur Bewertung der biologischen Vielfalt im Boden.

Als Projektleiter im europäischen Verbundvorhaben „SoilRise" möchte Dr. Martin Potthoff mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich, Irland, Polen und Österreich erforschen, inwieweit Regenwurmgemeinschaften im Boden durch die verschiedenen Nutzungsarten in Gärten und der Landwirtschaft oder auch durch die Flächenzerschneidung im städtischen Raum beeinflusst werden. Dabei arbeitet das Team sowohl mit Landwirtinnen und Landwirten als auch verstärkt mit Personen aus Gartennetzwerken und Gemeinschaftsgärten im ländlichen sowie städtischen Raum zusammen.

Citizen Science
Um möglichst viele Daten zu sammeln, setzt das Forschungsteam auf Citizen Science: Die Bodenuntersuchungen sollen vor allem von Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftlern durchgeführt werden, nachdem sie von Tutorinnen und Tutoren ausgebildet worden sind. „Mit viel Wissen über Regenwürmer, Artbestimmung, Ökologie und unsere Methode begleiten unsere Tutorinnen und Tutoren die forschenden Gruppen über einen längeren Zeitraum bei der Erfassung ihrer Regenwurmpopulationen", so Dr. Martin Potthoff. Nach der Sammlung und Artbestimmung werden die Regenwürmer genetisch untersucht, um die Datenqualität für das Monitoring sicherzustellen.

Für Dr. Martin Potthoff ist diese zivilgesellschaftliche Beteiligung am Projekt ein sehr wichtiger Faktor für den Erfolg des Projekts: „Wir hoffen, dass SoilRise weit über die direkt beteiligten Menschen hinaus Aufmerksamkeit erregen wird. Denn das Monitoring von Biodiversität ist grundsätzlich wichtig, um eine gute Wissensgrundlage für Entscheidungsträgerinnen und -träger zu schaffen." Schon jetzt verzeichnet er ein gestiegenes gesellschaftliches Bewusstsein und verbesserte fakten- und wissensbasierte Kenntnisse über die biologische Vielfalt.

Dialogbereitschaft und breite Aufmerksamkeit
Bei der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Forschung kann mangelnde Kommunikation zu Herausforderungen führen. Daher darf der Dialog zwischen den Stakeholdern, aber auch zwischen den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen nicht vernachlässigt werden. Die enormen Chancen des europäischen Forschungsprojekts fasst Dr. Martin Potthoff wie folgt zusammen: „Unsere Forschung zur Artbestimmung der Regenwürmer leistet einen wichtigen grundlagenwissenschaftlichen Beitrag und baut Hindernisse in der wissenschaftsinternen Kommunikation ab. Zudem schaffen wir durch die umfängliche Beteiligung von Stakeholdern sowie Bürgerinnen und Bürgern ein öffentliches Bewusstsein für Bodenorganismen und deren Ansprüche. Darüber hinaus hat unser neues Konzept zur bürgerwissenschaftlichen Beteiligung großes Potenzial, auch über SoilRise hinaus Schule zu machen und damit die Zufriedenheit in der Citizen Science und auch die Datenqualität zu erhöhen."

Von Entscheidungsträgerinnen und -trägern erwarte er in erster Linie Aufmerksamkeit: „Aufmerksamkeit für das, was wir in den Landnutzungswissenschaften tun, was wir veröffentlichen und welche Schlüsse wir ziehen. Dies ist nicht immer konsistent, aber deswegen ist ein aufmerksamer Dialog umso wichtiger. Hier sehe ich auch die Wissenschaft in der Pflicht, diesen Dialog zu führen und zu befördern, Politik und Gesellschaft nicht mit Erkenntnissen alleine zu lassen, sondern entsprechend zu moderieren und wenn nötig Stellung zu beziehen." Denn die aktuelle Nachrichtenlage zu den Protesten der Landwirtschaft zeige, wie wichtig ein tiefes Verständnis der Zusammenhänge von Landnutzung und Biodiversität ist und wie bedeutungsvoll eine Vermittlung dieser Forschung bleibt.

Das BMBF fördert SoilRise im Rahmen der Biodiversa+-Fördermaßnahme BiodivMon mit rund 340.000 €. Das Verbundvorhaben startete am 01.03.2024 und läuft bis 28.02.2027. Die Projektpartnerinnen und -partner kommen aus Frankreich (Rennes), Irland (Dublin), Polen (Krakau) und Österreich (Wien). Hier befinden sich auch die Untersuchungsgebiete. In Deutschland arbeitet das Forschungsteam im Raum Göttingen mit verschiedenen Netzwerken von Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftlern zusammen.

 

Biodversa+

Die europäische Biodiversitätspartnerschaft Biodiversa+ ist ein Netzwerk aus 81 Förderorganisationen aus 40 Ländern, die 2021 aus dem europäischen Netzwerk BiodivERsA entstanden ist. Biodiversa+ verfolgt fünf wesentliche Ziele:

  1. Förderung von Forschung und Innovation durch Förderbekanntmachungen und Kapazitätsaufbau
  2. Aufbau eines harmonisierten europaweiten Monitoringsystems
  3. Naturbasierte Lösungen für und Wertschätzung von Biodiversität im privaten Sektor
  4. Wissenschaftsbasierte Entscheidungsunterstützung für Politik
  5. Förderung europäischer Biodiversitätsforschung.