Flucht vor der Wärme: Der Atlantische Kabeljau erobert die Arktis

Der Atlantische Kabeljau ist im Zuge des Klimawandels so weit Richtung Norden gewandert, dass er inzwischen sogar in den Gewässern Spitzbergens in großen Mengen vorkommt.

Zu diesem Ergebnis kommen Biologen des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), nach einer Expedition in jenes arktische Meeresgebiet, das einst vom Polardorsch dominiert wurde. Die Wissenschaftler wollen jetzt untersuchen, ob es zwischen den beiden Dorscharten zu einem Konkurrenzkampf kommt und welche sich besser an die veränderten Lebensbedingungen in der Arktis anpassen kann.
 
August 2013, das deutsche Forschungsschiff Heincke steuert die Gewässer vor der nordöstlichen Küste Spitzbergens an. An Bord bereiten sich sechs Biologen des Alfred-Wegener-Instituts auf den ersten Fischzug ihrer Arktisexpedition vor. Sie wollen in Höhe des 80. Breitengrades junge Atlantische Kabeljaue und Polardorsche fangen. Doch als das Schiff sein Zielgebiet erreicht, zeigt das Thermometer eine Wassertemperatur von 4,5 Grad Celsius an. Viel zu warm für den Polardorsch, der Temperaturen um 0 Grad Celsius bevorzugt. „Diese warmen Wassermassen stammen aus dem Atlantik und überlagern in den Sommermonaten die kalten arktischen Wassermassen aus der Barentssee in den Fjorden“, sagt Dr. Felix Mark, Biologe am Alfred-Wegener-Institut.
 
Er leitet die Schiffsexpedition in die Arktis. Gemeinsam mit seinen AWI-Kollegen und einem Doktoranden der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf möchte er die Verbreitung von Atlantischen Kabeljauen und Polardorschen in den Fjorden Spitzbergens untersuchen. Nach dem ersten Fischzug aber zappeln hauptsächlich junge Kabeljaue im Netz. Ein Zeichen grundlegender Veränderungen in der Arktis. „Die steigenden Wassertemperaturen führen dazu, dass der Atlantische Kabeljau hier optimale Lebensbedingungen vorfindet. Wir gehen davon aus, dass diese Art, die einst auch in der Nordsee heimisch war, schon jetzt das wärmere Oberflächenwasser rund um Spitzbergen dominiert“, erklärt Dr. Felix Mark.
 
Für ihn stellt sich jetzt die Frage, ob und in welchem Ausmaß der Atlantische Kabeljau und der Polardorsch in einem Konkurrenzkampf zueinander stehen und inwiefern die zunehmende Versauerung des Meeres eine mögliche Rivalität beeinflusst. „Die Ozeanversauerung wirkt sich vermutlich nicht nur auf die Körperfunktionen beider Fischarten aus, sie beeinflusst auch ihre Beutetiere“, sagt Dr. Felix Mark.

Während der Kabeljau Jagd auf verschiedene Ruderfußkrebse, auf Flügelschnecken und auch auf kleine Fische macht und damit einen vielseitigen Speiseplan besitzt, stellt der Polardorsch nur bestimmten Krebsarten nach. Würden diese jedoch im Zuge der zunehmenden Versauerung der arktischen Gewässer nur noch in kleinen Mengen vorkommen, hätte der Polardorsch das Nachsehen. „Das Ziel unserer Expedition nach Spitzbergen war es deshalb, Kabeljaue, Polardorsche und ihre Hauptbeute, die Ruderfußkrebse, zu fangen und die Tiere lebendig nach Bremerhaven zu transportieren. Erst so haben wir die Chance, im Labor zu untersuchen, wie die Fische und das Zooplankton auf einen sinkenden pH-Wert des Wassers reagieren“, sagt der Biologe.
 
Er und seine Kollegen vermuten, dass sich der Kabeljau besser an das saurer werdende Wasser anpassen kann und auf diese Weise in der Lage sein wird, den Polardorsch aus dem gemeinsamen Lebensraum zu verdrängen. „Ein solcher Konkurrenzkampf hätte weitreichende Folgen für das arktische Ökosystem, denn der Polardorsch ist ein wichtiger Bestandteil des arktischen Nahrungsnetzes und Futter für andere Fischarten, sowie Vögel und Meeressäuger wie Wale oder Robben“, sagt Dr. Felix Mark.
 
Die Untersuchungen zum Atlantischen Kabeljau und Polardorsch sind Teil des nationalen Forschungsprojektes zur Ozeanversauerung, BIOACID. Der Name steht als Akronym für „Biological Impacts of Ocean Acidification“, unter dessen Schirm 14 Institute untersuchen, wie marine Lebensgemeinschaften auf Ozeanversauerung reagieren und welche Konsequenzen dies für das Nahrungsnetz, die Stoff- und Energieumsätze im Meer sowie schließlich auch für Wirtschaft und Gesellschaft hat. Im Rahmen dieses Programms leitet Dr. Felix Mark das so genannte Fisch-Konsortium.

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