Wie ein nachhaltiges Zusammenleben von Wildtieren und Menschen funktionieren kann
Dr. Felicitas Ostermann-Miyashita untersucht mit ihren Kolleginnen und Kollegen die Mensch-Wildtier-Interaktionen in Pufferzonen von Schutzgebieten und entwickelt Maßnahmen für eine nachhaltige Koexistenz von Mensch und Wildtier.
Seit ihrer Kindheit ist Dr. Emu-Felicitas Ostermann-Miyashita von Tieren und Pflanzen fasziniert. Entsprechend naheliegend war es für die junge Wissenschaftlerin, diese Leidenschaft zum Beruf zu machen. Ihre Forschungsarbeit ist gepaart mit Citizen Science. Denn als Jugendliche erlebte sie das große Erdbeben in Japan und die nachfolgende Atomkatastrophe in Fukushima. „Durch dieses Ereignis wurde mir erst bewusst, wie fern die Wissenschaft und wie fremd wissenschaftliche Begriffe wie „radioaktive Strahlung" für Bürgerinnen und Bürger waren", betont Dr. Ostermann-Miyashita. Seitdem sei es für sie eine Mission, Bürgerinnen und Bürgern Forschung und Wissenschaft näherzubringen. Im Rahmen ihrer Promotion konnte sie erste Erfahrungen mit Citizen Science sammeln. Ihre Untersuchungen zeigten, dass insbesondere junge Bürgerinnen und Bürger sowie Personen, die bereits Erfahrungen gesammelt hatten, besonders engagiert waren an Citizen Science-Projekten teilzunehmen, die die Rückkehr mancher Tierarten in Deutschland begleiten.
TRANSWILD
Seit April 2023 beschäftigt sie sich im Biodiversa+-Projekt TransWILD gemeinsam mit Partnerinstitutionen aus Bulgarien, Italien, Norwegen und Spanien mit Mensch-Wildtier-Interaktionen in Pufferzonen von Schutzgebieten. Dabei handelt es sich um diejenigen Bereiche von Schutzgebieten wie Nationalparks oder Biosphärenreservate, in denen auch menschliche Nutzungen wie Land- und Forstwirtschaft zugelassen sind. „Die größte Herausforderung in unserem Forschungsgebiet ist es, ein nachhaltiges Zusammenleben von Wildtieren und Menschen zu ermöglichen. Denn viele dieser Landschaften, die als Lebensräume für Wildtiere dienen, werden zunehmend für Wohn- und Industriegebiete oder im Allgemeinen für den Bau von Straßen genutzt," so Dr. Ostermann-Miyashita. Der anhaltende Flächenverbrauch durch Siedlung und Verkehr führt gerade in den dicht besiedelten Kulturlandschaften in Europas Mitte zu Zerschneidung und Verlust von Lebensräumen. Während manche Tierarten sich an die von Menschen geänderten Landschaften gut anpassen können, und zuweilen sogar davon profitieren - so kann die menschliche Präsenz als ein Schutz vor Raubtieren dienen - ist es für andere Tierarten sehr schwierig. Besonders wenn die Interessen und Bedürfnisse von Menschen und Tieren sich entgegenstehen kann dies zu Konflikten führen. Umso wichtiger ist es, zu verstehen, wie Landschaften sowohl vom Menschen genutzt als auch von Wildtieren bewohnt werden können.
Dr. Ostermann-Miyashita und ihre Kolleginnen und Kollegen wollen einen Schritt weitergehen und evaluieren, wie Schutzmaßnahmen verbunden mit neuen Ansätzen das Zusammenleben beeinflussen. Der bisherige Fokus auf präventive und kompensatorische Ansätze soll erweitert werden: „Oft wird der Wildtier-Perspektive im sogenannten Mensch-Wildtier-Konflikt sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt, dabei dürfen wir die menschliche Sicht nicht vernachlässigen. Unser Wertesystem wird durch verschiedene Faktoren, wie zum Beispiel unser soziales Umfeld, beeinflusst. Finanzielle Unterstützung und effektive Schutzmaßnamen sind wesentlich, aber genauso wichtig ist es, die emotionale Komponente innerhalb dieser Strukturen zu verstehen."
Bürgerbeteiligung
Die enge Zusammenarbeit mit lokalen Interessensgruppen steht daher im Mittelpunkt des Forschungsprojekts. Dabei arbeitet das Team nicht nur die Prioritäten der betroffenen Gruppen heraus, sondern identifiziert zudem die Beziehungswerte verschiedener Interessensgruppen zu Wildtierarten: „Wir kombinieren die Erkenntnisse aus den Öffentlichkeitsbefragungen und ökologischen Analysen, um praktische und strukturelle Lösungsansätze für ein besseres Zusammenleben von Menschen und Wildtiere zu finden." Dr. Ostermann-Miyashita denkt bereits an die Zukunft: „In diesem Projekt, aber auch darüber hinaus, würde ich gern weiterhin Citizen Science-Ansätze wie zum Beispiel Wildtier-Monitoring erforschen, da ich denke, dass die gesellschaftliche Unterstützung bzw. die Teilnahme von Bürgerinnen und Bürgern essenziell sind, um ein nachhaltiges Zusammenleben von Menschen und Wildtieren zu ermöglichen."
Forschungsalltag zwischen Feldarbeit und Bahn
Über Eintönigkeit im Forschungsalltag kann sich Frau Dr. Ostermann-Miyashita nicht beklagen. Wenn sie nicht im Feld arbeitet oder Interviews durchführt, nimmt sie an Online-Meetings teil, um die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Projektpartnerinnen und -partnern zu koordinieren. Als Co-Projektleiterin verbringt sie viel Zeit in der Bahn, um in Projekttreffen mit ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen neue Forschungsansätze zu entwickeln oder aber Workshops und Veranstaltungen zu organisieren. Dabei darf die Auswertung der gesammelten Analysen nicht zu kurz kommen. Und selbstverständlich informiert sie sich über den aktuellen Stand der Forschung. Denn die vielfältigen, komplexen und dynamischen Beziehungen zwischen Menschen und Wildtieren sind dringendes Thema für die Wissenschaft: Die menschliche Bevölkerung wächst und natürliche Ressourcen sind begrenzt und ungleich verteilt. Ablesbar ist dies an der Anzahl von Veröffentlichungen zu dem Themenfeld, die in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen hat.
Über den Tellerrand hinaus
Und welche Tipps möchte sie jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerin mitgeben? „Ich befinde mich selbst noch am Anfang meiner wissenschaftlichen Karriere. Aber was ich angehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mitgeben möchte, ist: „Sucht Euch ein Forschungsthema aus, das Euch fasziniert und wofür Ihr, wie man so schön sagt, brennt. Dabei sollte der Austausch mit anderen Mitstreiterinnen und Mitstreitern nicht zu kurz kommen und wagt auch den Schritt nach außen über den eigenen Tellerrand hinaus!'"
Biodversa+
Die europäische Biodiversitätspartnerschaft Biodiversa+ ist ein Netzwerk aus 81 Förderorganisationen aus 40 Ländern, die 2021 aus dem europäischen Netzwerk BiodivERsA entstanden ist. Biodiversa+ verfolgt fünf wesentliche Ziele:
- Förderung von Forschung und Innovation durch Förderbekanntmachungen und Kapazitätsaufbau
- Aufbau eines harmonisierten europaweiten Monitoringsystems
- Naturbasierte Lösungen für und Wertschätzung von Biodiversität im privaten Sektor
- Wissenschaftsbasierte Entscheidungsunterstützung für Politik
- Förderung europäischer Biodiversitätsforschung.
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