IPCC-Sonderbericht Ozean und Kryosphäre: Eine Diskussion über soziale Implikationen und forschungspolitische Optionen
Wie verändern sich die Ozeane und die Eisgebiete (Kryosphäre) durch den Klimawandel und welche Folgen haben diese Veränderungen für Ökosysteme und uns Menschen? Was bedeuten die Aussagen des IPCC-Berichts für die BMBF-Forschungspolitik?
Diese und weitere Fragen diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft am 19. November 2019 in der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der Europäischen Union in Brüssel. Die Veranstaltung wurde vom Konsortium Deutsche Meeresforschung (KDM) und dem Deutschen Klimakonsortium (DKK) gemeinsam mit dem BMBF organisiert.
In der Diskussion um die jüngsten Erkenntnisse des IPCC-Sonderberichts über den Ozean und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima stellte Prof. Hans-Otto Pörtner, Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe II, die Hauptaussagen des Berichts vor. Versauerung, steigende Temperaturen und Sauerstoffmangel in den Ozeanen bedrohen zahlreiche Meeresorganismen. Diese Entwicklungen führen zu Verschiebungen und teilweise bereits zum Verlust von Lebensräumen. Weitere Folgen des Klimawandels sind nach aktuellem Bericht des Weltklimarates der Anstieg des Meeresspiegels, häufigere und intensivere Extremwetter-Ereignisse, wie Überschwemmungen und Flutkatastrophen, sowie die zunehmende Instabilität des Permafrosts und das Schmelzen von Gletschern.
Diese Folgen sind bereits heute weltweit nachweisbar und werden laut Weltklimarat IPCC mit fortschreitender Erwärmung zunehmend gravierender. Tiefliegende Inseln, Küsten und deren Gemeinden sind als Konsequenz stärkeren Risiken ausgesetzt, denen sie nur mit einem angepassten Risikomanagement und weiterführenden Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel begegnen können.
Schon heute könnten unsere Gesellschaften dem Klimawandel und seinen Risiken wirksamer begegnen. So existieren sowohl umfangreiche Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels, als auch zur Anpassung an die nicht mehr vermeidbaren Folgen. Wie wichtig dafür die Erkenntnisse aus der Forschung sind, unterstrich Prof. René Haak, Leiter des Referates „Globaler Wandel – Klima, Biodiversität". „Erfolgreiche Klimapolitik baut auf einer kontinuierlichen Forschungspolitik auf". Diese umfasse laut Haak zum einen die Grundlagenforschung zum Klimawandel – aber insbesondere auch die Forschung und Entwicklung von technischen und sozialen Innovationen, um Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel weiter voran zu treiben und die Klimaziele des Pariser Abkommens einzuhalten.
Die Ozeane bedecken mehr als 70 Prozent der Oberfläche unseres Planeten und sind die wichtigste regulierende Kraft unseres Klimasystems. Die riesigen Wasserkörper unserer Weltmeere speichern und transportieren Wärme und beeinflussen so unser Wetter und das Klima. Sie nehmen den Großteil der vom Menschen verursachten Erwärmung des Erdsystems auf. Gleichzeitig speichern sie rund ein Drittel der durch menschliche Aktivitäten verursachten, klimaschädlichen CO2-Emissionen, z. B. aus den Sektoren Industrie, Verkehr oder Landwirtschaft.
Die Kryosphäre, also die Eismassen in den Polarregionen, die Permafrostgebiete sowie Schnee- und Eis in Gebirgen, hat ebenfalls eine zentrale Rolle für das Klimageschehen auf unserer Erde. So beeinflussen Eisschilde und Gletscher die Zirkulation der Ozeane. Ihr Schmelzwasser trägt derzeit den größten Anteil zum globalen Meeresspiegelanstieg bei.
Neue Einblicke in die Wechselwirkungen zwischen Ozeanen, Eis und Atmosphäre erforscht die aktuelle MOSAiC-Expedition (Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate). Die Ende September 2019 gestartete Polarexpedition ist die bislang größte der Geschichte: Ein Jahr lang driftet der deutsche Forschungseisbrecher POLARSTERN im Eis durch den Arktischen Ozean. Hunderte Forscherinnen und Forscher aus 19 Ländern unter Federführung des deutschen Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung (AWI), arbeiten zusammen an diesem Projekt. Ziel der MOSAiC-Expedition ist es, die Arktis als Treiber des Klimasystems so genau wie möglich zu untersuchen, um Veränderungen besser zu verstehen. Die Daten der POLARSTERN helfen der Wissenschaft weltweit, Klimamodelle mit neuen Daten zu verbessern.
Nicht alle Folgen des Klimawandels sind vermeidbar, einige sind sogar unumkehrbar, und die Risiken steigen mit zunehmender Erwärmung. Die Anpassungsmaßnahmen reichen aber schon heute in vielen Regionen der Welt nicht aus. Um die bisherigen Ansätze zur Anpassung an den Klimawandel zu vertiefen und für die Regionen weiter zu entwickeln, unterstützt das BMBF ab 2020 die neue Fördermaßnahme Regionale Informationen zum Klimahandeln (RegIKlim). Im Rahmen dieser Maßnahme werden Modellregionen gefördert, in denen Wissenschaft und Praxis für Analysen und Anpassungsmaßnahmen Hand in Hand gehen. Dabei wird das BMBF auch Themen in den Fokus nehmen, für die der IPCC-Sonderbericht drastische Risiken des Klimawandels aufgezeigt hat, wie etwa den Meeresspiegelanstieg sowie die daraus hervorgehende Verstärkung von Sturmfluten. Eine der sechs Modellregionen von RegIKlim wird an der deutschen Küste liegen.