Klimawandel setzt Polardorschen in der Arktis zu
Der Polardorsch ist der am häufigsten vorkommende Fisch im Arktischen Ozean und wichtige Nahrungsgrundlage. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts hat die Entwicklung der Population des Polardorschs in den vergangenen Jahrzehnten unter die Lupe genommen. Das Fazit: Durch den Rückgang der arktischen Meereisbedeckung und steigende Temperaturen in Folge des Klimawandels wird es diese Art künftig schwer haben. Die Forschungsarbeiten wurden unter anderem im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts Coldfish durchgeführt.
Der Polardorsch (Boreogadus saida) ist eng mit dem atlantischen Kabeljau verwandt und lebt im arktischen Ozean rund um den Nordpol. Als wichtige Nahrungsquelle für Meeressäuger, darunter Ringelrobben oder Belugas sowie und Seevögel spielt er eine zentrale Rolle im arktischen Ökosystem. Zudem wird er von den Inuit in Kanada und auf Grönland genutzt.
Ein Forschungsteam hat nun 395 wissenschaftliche Artikel zum Polardorsch und zum Einfluss von Klimawandel und menschlichen Aktivitäten auf dessen Populationen ausgewertet, die zwischen 1954 und heute erschienen sind. Geleitet wurde das internationale Konsortium – 43 Forschende aus 26 Instituten – vonDr. Maxime Geoffroy, Meeresbiologe am Fisheries and Marine Institute der Memorial University of Newfoundland in Kanada.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass dringend gehandelt werden muss, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die arktischen Polardorschbestände abzuschwächen", sagt Maxime Geoffroy. „Die Veränderungen betreffen nicht nur den am häufigsten vorkommenden Fisch der Arktis, sondern stören auch das empfindliche Gleichgewicht des gesamten arktischen Ökosystems.“
Ein wichtiger Bestandteil der Studie war die von Dr. Hauke Flores, Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), koordinierte Bewertung der Zukunftsaussichten für den Polardorsch bis zur Mitte dieses Jahrhunderts. „Es war eine ziemliche Herausforderung, so viele Perspektiven auf die Auswirkungen der Klimakrise und anderer Stressfaktoren auf den Polardorsch zusammenzubringen“, sagt Flores. „Aber es gab einige klare Ergebnisse. Der Rückgang des Meereises und die Erwärmung der Ozeane sind die größten Bedrohungen für die Zukunft des Polardorschs."
Die jüngsten Lebensstadien sind nach seinen Erkenntnissen dabei am anfälligsten. Das Meereis sei für diesen Fisch sehr wichtig, so Flores. Den Eiern und bis zu zwei Jahre alten Jungfischen bietet es Schutz vor Räubern. Umgekehrt finden die Jungfische unter dem Eis selbst im Winter Nahrung. „Der Meereisrückgang hat daher nicht nur künftig, sondern auch heute schon erhebliche Auswirkungen auf den Polardorsch.“
Die wissenschaftlichen Arbeiten zum Polardorsch am AWI waren unter anderem in das Projekt "Coldfish" im Rahmen des deutsch-britischen Förderschwerpunkts Arktis im Wandel (Changing Arctic Ocean) eingebettet. Im Förderschwerpunkt untersuchten von 2018 bis 2021 zwölf Forschungsprojekte den Einfluss des Klimawandels auf den Arktischen Ozean. Das britische Natural Environment Research Council (NERC) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzieren die Forschung.
Die wichtigsten Studienergebnisse zusammengefasst:
Lebensraumverlust: Steigende Temperaturen und schrumpfendes Meereis stellen eine erhebliche Bedrohung für den Lebensraum des Polardorschs dar, insbesondere für seine Eier und Larven. Diese Veränderungen beeinträchtigen die Fortpflanzungszyklen, die Überlebenschancen, das Wachstum, die Verbreitung und die Ernährungsfähigkeit der ganzen Art.
Veränderte Nahrungsverfügbarkeit: Der Klimawandel führt dazu, dass sich die Zusammensetzung des Zooplanktons als Nahrung für die Larven und Jungtiere des Polardorschs ändert. Dies kann zu geringeren Wachstumsraten und einer höheren Sterblichkeit der Larven führen.
Zunehmender Raubtier- und Konkurrenzdruck: Mit dem Rückgang des Meereises ist der Polardorsch verstärkt Raubtieren und Konkurrenten ausgesetzt. Seevogelarten und größere Fischarten aus südlich gelegenen Meeresregionen dehnen ihr Verbreitungsgebiet auf bisher unzugängliche Gebiete aus. Dies könnte Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem haben.
Risiken durch von Öl- und Gasförderung: Insbesondere mögliche Ölverschmutzungen an der Meeresoberfläche können zu höherer Sterblichkeit, verringertem Wachstum und mehr Missbildungen bei Polardorschen führen.
Originalveröffentlichung:
Geoffroy, M, et al. 2023. The circumpolar impacts of climate change and anthropogenic stressors on Arctic cod (Boreogadus saida) and its ecosystem. Elem Sci Anth, 11: 1. DOI: https://doi.org/10.1525/elementa.2022.00097