Forschungsmission „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“ der Deutschen Allianz Meeresforschung
Wie können wir den Ozean für den Klimaschutz mobilisieren? Welche Chancen und Risiken bergen geologische, chemische, technologische und biologische Maßnahmen der Dekarbonisierung? Wie beeinflusst der Klimawandel die CO2-Aufnahmekapazität der Ozeane zusätzlich? In einer neuen Forschungsmission wird die Bedeutung und das Potential des Ozeans für die nachhaltige Aufnahme und Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre untersucht. Das BMBF fördert die Forschungsarbeit mit rund 26 Millionen Euro.
Die Forschungsmission „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung" wurde von der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) initiiert – insgesamt sechs Verbundprojekte wurden für die Mission ausgewählt. Die Projekte nahmen am 1. August 2021 ihre Arbeit auf.
Einen Schwerpunkt der Forschungsmission bildet die Entwicklung innovativer Technologien zur CO2-Speicherung in der ozeanischen Erdkruste und anderen geologischen Formationen (GEOSTOR und AIMS3). Zudem werden verschiedene Formen der biologischen Kohlenstoffaufnahme aus der Atmosphäre untersucht. Dies betrifft küstennahe Meeresgebiete mit Seegraswiesen, Salzwiesen, Makroalgen und Mangrovenwäldern (sea4soCiety), aber auch den offenen Ozean, in dem durch künstlichen Auftrieb das Wachstum pflanzlichen Planktons gesteigert werden kann (TestArtUp), wodurch ebenfalls die CO2-Aufnahme erhöht wird. Darüber hinaus untersucht ein Forscherteam (RETAKE), ob und in welcher Form die Alkalinitätserhöhung des Meeres ein wirksames Verfahren sein kann, um der Atmosphäre große Mengen Kohlendioxid auf umweltverträgliche und gesellschaftlich verantwortbare Weise zu entziehen.
In sämtlichen Projekten werden sowohl der Nutzen als auch die Risiken sowie die wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen analysiert und berücksichtigt. Zentrales Ziel ist, dass die Forschenden konkrete Handlungsempfehlungen für Politik und Gesellschaft sowie Umsetzungskonzepte entwickeln, damit der effiziente Transfer der Ergebnisse in die Anwendung gelingt.
Der Ozean speichert schon heute über 50-mal mehr Kohlenstoff als die Atmosphäre. Bislang hat er ein Viertel der durch menschliche Aktivitäten verursachten CO2-Emissionen aufgenommen und so die Auswirkungen des Klimawandels abgemildert. Zudem ist der Ozean ein großer Wärmepuffer. Es wird jedoch erwartet, dass der Anteil der ozeanischen CO2-Speicherung abnimmt, da durch Erwärmung, Versauerung und geringeren Sauerstoffgehalt die physikalischen, chemischen und biologischen Fähigkeiten des Ozeans zur Aufnahme von Kohlendioxid beeinträchtigt werden.
Im Pariser Abkommen wurde das Ziel festgelegt, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf „deutlich unter" zwei Grad Celsius zu begrenzen – mit Anstrengungen für eine Beschränkung auf 1,5 Grad. Dazu einigte sich die Staatengemeinschaft auf eine umfassende Reduzierung aller Treibhausgasemissionen. Doch die Reduktion von Emissionen reicht nach aktuellen Erkenntnissen nicht mehr aus, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen – notwendig ist darüber hinaus eine Entnahme von bereits freigesetztem Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Heute gehen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass nur so die Pariser Klimaziele noch erreicht werden können.
Aktuell konzentrieren sich entsprechende Vorschläge vor allem auf landbasierte Methoden der CO2-Entnahme. Aufgrund der Nutzungskonkurrenz an Land durch die Nahrungsmittel- und Energieproduktion werden landbasierte Verfahren jedoch kaum ausreichen, um dieKlimaziele zu erreichen. Deswegen werden ozeanbasierte Möglichkeiten verstärkt untersucht. Das Wissen darüber, wie der Ozean zur sogenannten Dekarbonisierung, der Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre, genutzt werden kann, ist bislang begrenzt.
Angesichts der Dringlichkeit der Eindämmung des Klimawandels ist diese Frage von großer Relevanz und Schwerpunkt der DAM-Mission „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung".
Das Verbundprojekt ASMASYS entwickelt einen transdisziplinären Bewertungsrahmen für marine Dekarbonisierungpfade als Basis für eine sektorübergreifende einheitliche Bewertung verschiedener Optionen. Damit bildet ASMASYS die zentrale Schnittstelle zu Forschungsvorhaben der terrestrischen Carbon Dioxide Removal (CDR) Methoden (BMBF-Fördermaßnahme „Carbon Dioxide Removal"). Neben den Forschungsprojekten wird ein Begleit- und Synthesevorhaben zur übergreifenden Analyse der im gesamten Programm gesammelten Erkenntnisse gefördert.
Die sechs Verbundprojekte der Forschungsmission „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung"
ASMASYS wird das Wissen über die marinen Möglichkeiten der aktiven CO2-Reduzierung in der Atmosphäre zusammenführen und einen einheitlichen Bewertungsrahmen für die unterschiedlichen Ansätze entwickeln. Neben naturwissenschaftlichen Grundlagen und Fragen technischer Machbarkeit werden rechtliche, soziale und ethische Aspekte sowie politische Rahmenbedingungen berücksichtigt (Koordination: Prof. Dr. Gregor Rehder, IOW).
GEOSTOR erforscht das Potenzial der unterirdischen Speicherung von CO2 in
Sandsteinformationen unter der Nordsee. Ziel ist es, die Speicherkapazitäten in der deutschen Nordsee zu quantifizieren und die damit verbundenen Risiken und Chancen zu analysieren (Koordination: Prof. Dr. Klaus Wallmann, GEOMAR).
AIMS³ untersucht, inwieweit CO2 in der basaltischen oberen Ozeankruste als Karbonat permanent gespeichert werden kann. Geplante Laborexperimente flankieren Studien der natürlichen Systeme am Mittelatlantischen Rücken. Innovative Monitoringsysteme sollen die Umweltfolgen überwachen (Koordination: Prof. Dr. Achim Kopf, MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen).
RETAKE untersucht, ob und in welcher Form marine Alkalinitätserhöhung ein praktikables Verfahren sein kann, um signifikante Mengen von CO2 auf umweltverträgliche und gesellschaftlich verantwortbare Weise dauerhaft aus der Atmosphäre zu entnehmen (Koordination: Prof. Dr. Andreas Oschlies, GEOMAR).
sea4soCiety rückt die Kohlenstoffspeicherung in vegetationsreichen Küstenökosystemen in den Mittelpunkt. Unter Berücksichtigung weiterer gesellschaftlicher Nutzung, sowie potenzieller Risiken, werden innovative Ansätze entwickelt, die dieses natürliche Potenzial der Kohlenstoffspeicherung verbessern sollen (Koordination: Prof. Dr. Martin Zimmer, Leibniz- Zentrum für Marine Tropenforschung - ZMT).
TestArtUp untersucht, ob und in welcher Form durch den Auftrieb von nährstoffreichem Tiefenwasser das oberflächennahe Planktonwachstum gefördert und so mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden werden kann (Koordination: Prof. Dr. Ulf Riebesell, GEOMAR).
Deutsche Allianz Meeresforschung (DAM)
Seit 2019 fördern der Bund und die fünf norddeutschen Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gemeinsam die DAM, um mit diesem Instrument die vielen herausragenden Aktivitäten der deutschen Meeresforschung auf Bundes- und Länderebene strategisch weiterzuentwickeln und die deutsche Meeresforschung international noch sichtbarer und wirksamer zu machen. Die DAM hat aktuell 22 Mitglieder, vor allem universitäre und außeruniversitäre deutsche Meeresforschungseinrichtungen. Ein zentrales Element der DAM sind langfristige anwendungsorientierte Forschungsmissionen zu gesellschaftlich relevanten Themen. Die geförderten Projekte sollen wissenschaftlich fundiertes Handlungswissen für Politik und Gesellschaft sowie Konzepte für die praktische Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse bereitstellen.
Nachrichten zur Maßnahme
Zuletzt geändert am