Carbon2Chem: Schlüsselprojekt für klimafreundliche Industrie
Jahr für Jahr entstehen als „Nebenprodukt“ der Stahlproduktion weltweit Millionen Tonnen CO₂. Eine 100-prozentige Vermeidung solcher Emissionen ist auch mit innovativen Produktionswegen ausgeschlossen. Doch das BMBF-geförderte Projekt Carbon2Chem sieht den Kohlenstoff anders: als wertvollen Rohstoff.
Carbon2Chem hat als cross-industrielles Forschungsprojekt von Beginn an den Ansatz verfolgt, Hüttengase nutzbar zu machen und in neue Wertschöpfungsketten einzubinden. In den ersten zwei Phasen hat es bereits bemerkenswerte Erfolge erzielt. In Duisburg steht das Technikum, in dem Realversuche mit Stahlwerksgasen durchgeführt werden. Erstmals weltweit erfolgte hier die Produktion von Methanol aus Hüttengasen. In diesem Zuge gelang auch der Aufbau und Betrieb einer Anlage zur Aufbereitung realer Hüttengase und eines alkalischen Elektrolyseurs. Flankiert wird der Betrieb des Technikums mit Modellversuchen in Laboren vor Ort und im Carbon2Chem-Labor in Oberhausen.
Innovationen rentabler machen und damit Anreize setzen
Die bisherigen Erfolge zeigen, dass sich aus den Hüttengasen am ehesten Methanol wirtschaftlich erzeugen lässt. Weitere Produkte wie Harnstoff, höhere Alkohole oder Polymere sind ebenso machbar, jedoch derzeit wirtschaftlich weniger attraktiv. Der Fokus liegt daher in Phase drei darauf, die Methanolherstellung technisch zu optimieren, um sie für den industriellen Einsatz rentabel zu machen. Aber auch Fragen rund um die regulatorischen Rahmenbedingungen widmet sich das Konsortium. Ziel ist es, Anreize aufzuzeigen, um die entwickelten Lösungen in einer breiten industriellen Anwendung zu implementieren.
Ein technisches Augenmerk liegt zudem auf Katalysatoren. Diese sind ein zentraler Faktor bei der Beantwortung der Frage, wie effizient sich Methanol aus den gereinigten Gasen synthetisieren lässt. Das interdisziplinäre Team arbeitet daran, die Betriebsweise so anzupassen, dass der Katalysator möglichst lange Höchstleistungen erbringt. Ergänzend soll auch die Kommunikation zwischen Stahlwerk, Technikum und Labor verbessert werden, um Betriebsabläufe effizienter zu gestalten: Von den Erkenntnissen profitiert die Industrie, die solche Lösungen künftig nutzen möchte.
Methanol als Schlüsselprodukt für nachhaltige Kraftstoffe
Methanol ist nicht nur chemischer Rohstoff, sondern auch ein vielversprechender Energieträger. Besonders in der Schifffahrt gewinnt es als alternativer Treibstoff an Bedeutung: Das Projekt Power2Polymers, ein BMBF-geförderter Satellit des Kopernikus-Projekts P2X, nutzt Methanol aus Carbon2Chem, um nachhaltige Polymere als Basis für Klebstoffe herzustellen: So schließen sich schon auf Forschungsebene Wertschöpfungsketten. Die Forschung arbeitet an einer optimierten und wirtschaftlichen Methanolsynthese, die sich im industriellen Maßstab umsetzen lässt. Um einen weiteren Verwertungspfad zu erschließen, wird in der dritten Phase zudem die Umsetzung von Methanol zu nachhaltigen Flugkraftstoffen (Sustainable Aviation Fuel, SAF) untersucht. Dieser Pfad würde es ermöglichen, die Emissionen in der schwer zu dekarbonisierenden Luftfahrt nach-haltig zu senken. Infolge der EU-Quotenregelung zu SAF besteht hierfür weiterhin schon ein Markt.
Während Carbon2Chem in den ersten beiden Projektphasen die technische Machbarkeit und Ska-lierung vom Labor- hin zum Demonstrationsmaßstab fokussierte, ist das übergeordnete Ziel jetzt, wirtschaftlich tragfähige Modelle für die Methanolproduktion zu entwickeln. Menschen mit volkswirtschaftlicher Expertise sind eingebunden, um die Bedingungen für einen erfolgreichen Markteintritt auszuloten. Eine semiindustrielle Produktionsanlage ist bereits in Diskussion.
Warum Carbon2Chem auch in der Zukunft relevant bleibt
Derweil verändern sich die Rahmenbedingungen für die Industrie stetig und speziell in der Stahl-industrie. Direktreduktionsverfahren, die Wasserstoff statt Koks zur Stahlerzeugung nutzen, sollen perspektivisch die Emissionen stark senken. Doch der Umbau braucht Zeit. Zudem bleibt selbst mit Direktreduktion Kohlenstoff für die Stahlproduktion unersetzlich. Es entstehen auch weiterhin Prozessgase, deren Zusammensetzung noch nicht abschließend erforscht ist. Carbon2Chem hilft, die Lücke zu schließen und auch diese Gase auf ihre Verwertbarkeit hin zu prüfen. Das Projekt leistet damit einen wertvollen Beitrag beim Übergang der Stahlproduktion von der Hochofenroute zur Direktreduktion.
Klar ist aber, dass diese Technik auch in einer emissionsreduzierten Industrie der Zukunft von Be-deutung bleibt. Denn sie schließt Kohlenstoffkreisläufe und verhindert, dass wertvolle Rohstoffe ungenutzt entweichen.
Laufzeit: 01.01.2025 bis 31.12.2028
Fördervolumen gesamt: rd. 49,8 Mio. €
Verbünde und Partner
L-KK („Kommunikation und Koordination")
Inhalt: Im Teilprojekt L-KK werden die Aspekte der Kommunikation, die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die gesellschaftliche Relevanz untersucht. Auch die Pro-jektkoordination ist in diesem Teilbereich verankert.
Partner: Fraunhofer UMSICHT, MPI CEC, FernUni Hagen
Fördervolumen: rd. 5,1 Mio. €
L-SI („Systemintegration")
Das Teilprojekt L-SI umfasst das Labor in Oberhausen, in dem Modelluntersuchun-gen durchgeführt werden. Zudem sind hier die Analytik sowie die Gesamtsimulation eingeordnet. Entwickelte Prozesskonzepte werden nach technischen, ökologischen, ökonomischen und volkswirtschaftlichen Kriterien bewertet. Ziel ist die Optimierung des gesamten Anlagenverbundes.
Partner: Fraunhofer UMSICHT, MPI CEC, Ruhr-Universität Bochum (LTC), Sie-mens AG, Thyssen Vermögensverwaltung GmbH, thyssenkrupp Carbon2Chem GmbH. thyssenkrupp Steel Europe AG, EY Consulting GmbH, Ruhr-Universität Bochum (URN)
Fördervolumen: rd. 17,1 Mio. €
L-MeOH („Methanolsynthese")
Im Teilprojekt L-Methanol wird unter industrienahen Bedingungen mit realen Gasen Methanol synthetisiert. Die Entwicklungstätigkeiten zielen hierbei auf einen stabilen, wirtschaftlichen Prozess, der bei wechselnden Eingangsgasen eine gleichbleibende Methanolqualität liefert. Ergänzend wird die weitere Nutzung des Methanols, bspw. in Form von Sustainable Aviation Fuels (SAF), untersucht.
Partner: thyssenkrupp Carbon2Chem GmbH, Clariant Produkte (Deutschland) GmbH, Fraunhofer UMSICHT, BASF SE, Universität Duisburg-Essen, thyssenkrupp Steel Europe AG
Fördervolumen: rd. 27,6 Mio. €
Nachrichten zur Maßnahme
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