Wie belastend sind Megastädte für Küstenmeere? Chinesisch-deutsche Expedition startet im Südchinesischen Meer
Am 1. September 2018 startet eine Schiffsexpedition von Guangzhou aus den Perlfluss hinunter in küstennahe Bereiche des Südchinesischen Meeres. Die 30-tägige Forschungsfahrt untersucht im Rahmen des vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung (IOW) koordinierten deutsch-chinesischen Verbundprojektes MEGAPOL (kurz für „Megacity’s fingerprint in Chinese marginal seas: Investigation of pollutant fingerprints and dispersal“), welche Umweltbelastungen durch urbane Ballungsräume mit bis zu 100 Mio. Einwohnern in angrenzenden Meeresgebieten entstehen. IOW-Forscherin Joanna Waniek ist Co-Fahrtleiterin der Expedition.
Ausgehend von der 14-Millionen-Einwohner-Stadt Guangzhou im Süden Chinas wird die interdisziplinäre Forscher-Crew mit Experten aus den Bereichen Meereschemie, -geologie und -physik sowie Messtechnik-Spezialisten insgesamt 70 Probennahmepunkte am nördlichen Schelf des Südchinesischen Meeres in unmittelbarer Nähe zum Perlfluss anlaufen. Das Untersuchungsgebiet liegt damit im Einflussbereich einer der größten zusammenhängenden Stadtlandschaften der Welt mit weiteren Millionenstädten neben Guangzhou, wie Honkong und Shenzhen, und einer Gesamtbevölkerung von fast 100 Mio. Menschen. Um Umweltveränderungen bis in tiefere ozeanische Regionen zu erfassen, wird die gesamte Wassersäule beprobt und zusätzlich an ausgewählten Stationen Sedimentproben entnommen. Umfangreiche umweltchemische Analysen auf Nährstoffe, Schwermetalle, klassische organische Schadstoffe und sogenannte „neue Schadstoffe“ wie Mikroplastik, Medikamente, UV-Filter aus Sonnencremes und Hormone sollen zeigen, inwieweit sich die Spuren der im Einflussbereich des Perlflusses gelegenen Riesenstädte im Meer verfolgen lassen und welche physikalischen Prozesse deren Ausbreitungswege beeinflussen.
„Unser Untersuchungsgebiet ist ein ideales Modellsystem für unsere Fragestellung, nicht nur wegen der benachbarten Extrem-Ballungszentren. Es eignet sich auch sehr gut, um Austauschprozesse zwischen Land und Ozean sowie Veränderungen der physikalischen Antriebe hinter diesem Austausch, wie Monsun, Meeresströmungen und Klimawandelfolgen in marinen Lebensräumen auf längeren Zeitskalen zu betrachten und dadurch besser zu verstehen“, sagt Prof. Joanna Waniek vom IOW, die sich die Fahrtleitung mit ihrem chinesischen Kollegen Dr. Huayang Gan vom GMGS teilen und das Expeditionsteam an Bord der „Hai Yang Di Zhi“ koordinieren wird. Alle acht IOW-ler haben bereits vor 3 Jahren erste Untersuchungen im Südchinesischen Meer durchgeführt und können nun auf die Ergebnisse der ersten Expedition aufbauen. „Wir freuen uns sehr auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit unseren chinesischen Partnern, die sich als sehr fruchtbar erwiesen hat. Neben den spannenden wissenschaftlichen Fragen, haben wir die seltene Möglichkeit, die Arbeitsweise unserer chinesischen Partner auf See kennenzulernen“, so Waniek weiter.
Vieles sei trotz der Vorarbeiten jedoch noch wissenschaftliches Neuland: „Wo treten welche Schadstoffe auf? Wie sind die zeitlichen und räumlichen Verteilungsmuster? Welche Lebensdauer haben die unterschiedlichen Substanzen?“, erläutert die IOW-Wissenschaftlerin einige der offenen Fragen. Auch sei der Nachweis der „neuen Schadstoffe“ bei weitem keine Routine. „Für den Nachweis in der Wassersäule haben wir bereits Methoden entwickelt. Zurzeit arbeiten wir aber noch mit Hochdruck an Methoden zum Nachweis dieser neuen Schadstoffklassen in Sedimenten“, sagt die Ozeanographin.
Die Erkenntnisse der diesjährigen Expedition ins Südchinesische Meer sollen zusammen mit den Messungen von 2015 und einer für 2019 geplanten Expedition mit dem deutschen Tiefseeforschungsschiff SONNE Aussagen über die Entwicklung der Belastung in der Region über einen Zeitraum von 5 Jahren ermöglichen. „Die Ergebnisse zum Ausmaß der menschlich verursachten Verschmutzung, die wir in den chinesischen Küstenmeeren erwarten, werden nicht nur in China als Beratungsgrundlage für Politik und Behörden von hohem Interesse sein. Auch in Deutschland sollten die Untersuchungsergebnisse als Warnsignal Beachtung finden, denn auch bei uns wachsen die Städte und erhöhen den Druck auf die Küstenmeere und die küstennahen Regionen“, kommentiert Joanna Waniek das Vorhaben abschließend.