Wissenschaft-Praxis-Dialog für den Wiederaufbau in den Flutgebieten in NRW: Hochwasserschutz braucht Raum
Wie kann künftig der Hochwasserschutz verbessert und in der Stadt- und Raumplanung fest verankert werden? Über diese und andere Themen diskutieren die Teilnehmenden des „Wissenschaft-Praxis-Dialogs“, zu dem das BMBF-Projekt KAHR eingeladen hatte.
Nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 steht der Wiederaufbau in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz weiterhin im Fokus der betroffenen Regionen. Das vom BMBF initiierte Projekt KAHR (Klimaanpassung, Hochwasser und Resilienz) unterstützt dabei mit seinen 13 Verbundpartnern die lokalen Entscheidungsträger sowie die Bevölkerung beim Wiederaufbau von möglichst zukunftssicheren und klimaresilienten Strukturen. Dazu bringen die Projektpartner ihre langjährigen Erfahrungen in der Klimaanpassungsforschung sowie ihre wissenschaftliche Expertise zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels ein.
Am 7. November 2022 fand der „Wissenschaft-Praxis-Dialog" in Aachen statt – ein Austauschformat, das nun bereits zum zweiten Mal vom KAHR-Projekt ausgerichtet wurde. Bei der Veranstaltung informierte das Projekt über seine Arbeit, stellte erste Ergebnisse vor und ludt Politik, Wirtschaft sowie weitere Interessierte zu einem offenen Austausch ein. Bereits im Juni 2022 fand der erste „Wissenschaft-Praxis-Dialog" in Remagen statt. Dort stand das Thema Hochwasserrisikomanagement im Fokus.
Etwa 100 Teilnehmende – darunter zahlreiche politische Akteure aus der Landespolitik, der Städteregion Aachen, den betroffenen Landkreisen in Nordrhein-Westfalen sowie aus den Städten und Gemeinden in der Region – diskutierten, wie in Zukunft der Hochwasserschutz verbessert werden kann und welche Weichen in der Stadt- und Raumplanung dafür gestellt werden müssen. Dabei ging es unter anderem um die Anwendung des „Bundesraumordnungsplan Hochwasserschutz" in den Kommunen der Region. In dem Planwerk sind seit September 2021 bundesweite Regelungen festgehalten – zur Wasserwirtschaft, zum Hochwasserrisikomanagement, zur Entwicklung von Siedlungen und zu kritischen Infrastrukturen wie Verkehrs- und Energienetzen. Insbesondere für die sogenannten „Kritischen und Sensiblen Infrastrukturen" empfehlen die Partner von KAHR differenzierte Schutzstandards und Schutzziele zu entwickeln (10 Empfehlungen von KAHR). Dafür bedarf es einer intensiven Auseinandersetzung mit den bestehenden und zukünftigen Risiken sowie möglichen Flächennutzungen und deren Verwundbarkeit. Über alle Planungsebenen hinweg – von der Bundes-, über die Landes- und Regionalebene bis zur kommunalen Bauleitplanung – sind konkrete Ziele und Grundsätze zur Integration von Aspekten der Klimaanpassung und Hochwasservorsorge in Planungsvorhaben erforderlich.
Als konkretes Beispiel aus der Praxis wurde vom KAHR-Partner Wasserverband Eifel-Rur das Maßnahmenpaket für die hochwasserresiliente Stadtentwicklung in Stolberg und Eschweiler vorgestellt. Unmittelbar nach der Hochwasserkatastrophe hat ein Expertenteam 62 Projekte identifiziert, die die Hochwasserresilienz im Einzugsgebiet von Inde und Vicht steigern sollen, darunter beispielsweise die Umsetzung von Renaturierungsmaßnahmen, der Treibgutrückhalt sowie die gezielte Lenkung von Hochwasser. Im Rahmen von KAHR werden für besonders vielversprechende Projekte Berechnungen durchgeführt, um herauszufinden, welche Projekte den größten Beitrag für Klimaresilienz leisten und deren Umsetzung vorzubereiten. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion wurde betont, dass die Ergebnisse aus KAHR für die Akteure vor Ort eine gemeinsame Wissensbasis schaffen. Auf deren Grundlage können Diskussionen über mögliche Maßnahmen geführt und Entscheidungen zum Wiederaufbau getroffen werden. Die Wissenschaft nimmt eine wichtige neutrale Mittler-Position zwischen den verschiedenen handelnden Akteuren, auf Ebene des Bundes, der Länder und in den Regionen und Kommunen sowie im Austausch mit der Bürgerschaft ein.
Forschung unterstützt den Wiederaufbau von zukunftssicheren und klimaresilienten Strukturen
Neben dem Austausch über das Veranstaltungsformat stehen die KAHR-Partner auch im regelmäßigen Dialog mit den verschiedenen Akteuren und sind in verschiedenen Netzwerken aktiv. Im Mittelpunkt steht dabei die wissenschaftsbasierte Beratung, wie der Wiederaufbau als Chance für mehr Klimaresilienz genutzt werden kann. So haben beispielsweise Forschende des KAHR-Projekts Messungen von beschädigten Brücken im Ahrtal durchgeführt. Anhand der daraus entstehenden Simulationen kann KAHR konkrete Empfehlungen aussprechen, welcher Brückentyp an welcher Stelle am besten für einen Neuaufbau geeignet ist. Ein anderes Beispiel für die Unterstützung durch KAHR: Die Forschenden führen Befragungen von Privathaushalten zu Schadenserfahrungen, Beeinträchtigungen, Vorsorge- und Gesundheitsstatus sowie Regeneration durch. Die ersten Auswertungen aus den Befragungen im Ahrtal zeigen eine sehr hohe Belastung der Bevölkerung und fehlendes Wissen sowie fehlende – zum Teil auch finanzielle – Kapazitäten für die Hochwasservorsorge. Die Befragungen sowie Auswertungen für NRW laufen aktuell an.