Nachhaltige Mobilität in regionalen Transformationsräumen
Die Erreichung der deutschen Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele erfordert große Anstrengungen hin zu einer nachhaltigen Transformation des Mobilitätssektors. Ein Ansatz ist, aufbauend auf den vielen Maßnahmen, die kleinräumig im meist kommunalen Kontext entwickelt und erprobt wurden, Innovationskräfte regional zu bündeln und technologische und Soziale Innovationen zur Unterstützung der Mobilitätswende raumwirksam zu verbreiten. Hier setzt die Förderrichtlinie „Nachhaltige Mobilität in regionalen Transformationsräumen – in Metropolregionen, Regiopolregionen und interkommunalen Verbünden“ an.
Mit dieser Förderrichtlinie erweitert das BMBF den räumlichen Bezug der Forschungsagenda „Nachhaltige urbane Mobilität" auf ganze Regionen. Gefördert werden Projekte, in denen transdisziplinär geforscht und partizipativ gearbeitet wird, um ein besseres Verständnis zu schaffen hinsichtlich (1) der Voraussetzungen zur Entfaltung des Transformationspotenzials, (2) zur Skalierbarkeit von kleinräumig erfolgreichen Maßnahmen und Prozessen, (3) der Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Transformationsbereichen und funktionalen Räumen sowie (4) der Zuständigkeiten und Interessen beteiligter relevanter Akteure.
In der Umsetzung bedeutet dies: Wissenschaft und interkommunale Praxis entwickeln und erproben gemeinsam mit regionalen Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft Ansätze für eine nachhaltige und bedarfsorientierte Mobilität und deren Steuerung in vernetzten städtischen und ländlichen Räumen. Zur Unterstützung von Skalierung und Transfer sieht die Verbundstruktur der Projekte mindestens einen regionalen Partner vor, welcher über relevante Netzwerkstrukturen verfügt und Multiplikatorfunktionen übernehmen kann (interkommunaler Verbund oder deren institutionalisierte Vertretung wie z.B. ein Regionalverband).
Zentral und bindend für jedes Vorhaben ist die Verankerung folgender Punkte im Arbeitsprogramm:
• Entwicklung eines Leitbildes zur Nachhaltigkeit und Klimaneutralität
• Untersuchung und Anpassung von Governance-Strukturen zur Unterstützung und Optimierung von Umsetzungsprozessen
• Erprobung von Reallaboren mit größerem Raumbezug
• Projektbegleitende Wirkungsevaluation von Maßnahmen und Prozessen
• Entwicklung einer Kommunikationsstrategie für den zielgerichteten Transfer von Wissen, Erkenntnissen und Maßnahmen
Die Förderrichtlinie ist Teil der „Transformationsinitiative Stadt-Land-Zukunft".
Projekte der Fördermaßnahme
In 2024 sind insgesamt vier Forschungsverbünde gestartet, welche in verschiedenen Regionen Deutschlands zu zwei von insgesamt drei möglichen Themenschwerpunkten der Förderrichtlinie beitragen:
• Mobilitätswende in regionalen Transformationsräumen durch Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle voranbringen
• Ganzheitliche Mobilitätskonzepte für verschiedene Lebensbereiche entwickeln
Der jeweilige Förderzeitraum beträgt fünf Jahre. Für eine Übersicht der Projekte und Verbundpartner siehe Projektliste.
Vor dem Hintergrund von Klimawandel, demografischer Entwicklung, Digitalisierung und Versorgungssicherheit leistet das Projekt MOVEwell (Mobilitätsverbund werthaltige ländliche Lebensräume) einen Beitrag zu zukunftsfähiger und nachhaltiger Mobilität in Thüringen. Diese ländlich geprägte Projektregion umfasst mit den benachbarten Landkreisen Saalfeld-Rudolstadt, Weimarer Land, Ilm-Kreis sowie der kreisfreien Stadt Weimar etwa ein Sechstel Thüringens.
MOVEwell entwickelt ganzheitliche Mobilitätskonzepte breit über Alters-, Sozial- und Berufsgruppen hinweg und für unterschiedliche Bereiche des Lebens und Arbeitens. Die Standortattraktivität von Gewerbegebieten, die Bewältigung des Fachkräftemangels, insbesondere im Gesundheits- und Pflegebereich, sowie die Wahrung der sozialen Gerechtigkeit sind in ländlichen Räumen von besonderer Bedeutung. Übergeordnete Planungen zur Optimierung des ÖPNV, integrierte Konzepte des betrieblichen Mobilitätsmanagements sowie eine digitale Plattform sollen dafür im Projekt unter Berücksichtigung neuester Technologien, Methoden und gesellschaftlicher Bedarfe miteinander verknüpft werden.
Kern des Projektes ist die Stärkung und der multi- und transmodale Ausbau des ÖPNV, um überregional abgestimmte, lokal bedarfsgerechte, öffentlich akzeptierte sowie allgemein finanzierbare und umweltfreundliche Mobilitätslösungen zu ermöglichen. Der ÖPNV soll dabei als „integraler Taktgeber" wirken, um Verkehrsplanungen, Mobilitätsdienstleistungen und das Nutzungsverhalten in möglichst großer Breite nachhaltig zu transformieren. Das Projekt bringt dafür Bedarfsträger, Aufgabenträger, Behörden und Forschungseinrichtungen zusammen, die in drei Reallaboren konkrete Pilotlösungen für ein effektives, betriebliches Mobilitätsmanagement erproben und übertragbare Ansätze propagieren. Die Erprobung neuer Technologien, Dienste und Angebote erhält durch die Zusammenführung von Einzelansätzen, die Ertüchtigung und Kooperation von Landkreisen und Städten und durch den thüringenweiten Integralen Takt Fahrplan (ITF) einen großen räumlichen Bezug.
Regionale und interkommunale Zusammenarbeit stärken sowie Maßnahmen zur Mobilitätswende gemeinsam, effektiver und schneller umsetzen – das sind die zentralen Ziele von „RegioProzess". Eine wesentliche Voraussetzung dafür sind effiziente Verwaltungsstrukturen und –prozesse. Hier setzt das Projekt an: Regionale Verwaltungsverfahren werden mit Hilfe innovativer digitaler Tools, Prozessanalysen und -beratungen sowie Elementen des Change Managements optimiert und somit die Umsetzung der Maßnahmen vor Ort beschleunigt. Dazu werden in drei Modellregionen (Regiopole Bielefeld, dem Landkreis Ludwigsburg sowie dem Landkreis Oberhavel) Verwaltungs- und Governancestrukturen analysiert und weiterentwickelt sowie zur Effizienzsteigerung digital unterstützt. Die entwickelten Lösungen werden bei der Umsetzung lokaler Mobilitätsmaßnahmen unmittelbar angewendet. Im Ergebnis entstehen Lösungsansätze dafür, wie eine Transformation zu nachhaltiger Mobilität im regionalen Maßstab durch optimierte Planungs- und Verwaltungsprozesse beschleunigt werden kann.
Die Modellregionen weisen neben unterschiedlichen raumstrukturellen und sozioökonomischen Voraussetzungen verschiedene Ausgangspositionen für die Transformation hin zu nachhaltiger Mobilität auf. In jeder Region arbeiten die Partner*innen in Reallaboren zusammen, die zwei Komponenten umfassen: Das Reallabor „Verwaltung und regionale Governance" und das Reallabor „Verkehrswendemaßnahmen".
Im Reallabor „Verwaltung und regionale Governance" werden umsetzungsstarke regionale Planungs- und Steuerungsstrukturen ausgetestet und das digitale Tool „Trassenscout" weiterentwickelt, erprobt und angewendet. Es unterstützt sowohl Planungsprozesse als auch (inter)kommunale und akteursübergreifende Abstimmungen. Im Reallabor „Verkehrswendemaßnahmen" werden Angebotsverbesserungen im Umweltverbund (On-Demand-Dienste, Schnellbus) sowie im Radverkehr (Radschnellwege) umgesetzt und hinsichtlich des Prozesses und der Wirkung evaluiert. Eine umfassende Wissenskommunikation sorgt für die zielgruppengerechte Verbreitung der Ergebnisse in die Wissenschaft und die kommunale Praxis.
Das Projekt „TRAMIGO - Transformationspfade für eine nachhaltige Gestaltung regionaler Mobilitätsverflechtungen in der Regiopole Mittlerer Oberrhein" will Aufschluss über Entwicklungs- und Handlungsoptionen von verkehrspolitischen Interventionen auf den Quelle-Ziel-Verkehr zwischen der Regiopole Karlsruhe und seinem Umland geben.
Der Analysefokus im Projekt richtet sich auf die persönlichen Beziehungen der Menschen und den daraus resultierenden Mobilitätsverflechtungen. Aus dieser Perspektive werden die Chancen und Herausforderungen abgeschätzt, die sich durch mögliche Restriktionen oder Angebotsverbesserungen für die Alltagsgestaltung der Menschen ergeben. Eine regionale Steuerungsgruppe aus kommunalen Vertretern der Verwaltung, der Verkehrsträger, der Zivilgesellschaft und der Verbände soll in einem breit angelegten Leitbildprozess ein gemeinsames und regional abgestimmtes Zukunftsbild mit Fokus auf den Stadt-Land-Verkehr verabschieden. Unterstützt wird der Leitbildprozess durch verschiedene Modellwerkzeuge, die eine realitätsnahe Simulation verschiedener Mobilitätsinterventionen, ein spielerisches Ausprobieren sowie eine Überprüfung der Wirkung von Maßnahmen auf Klima, Lebensqualität und öffentliche Finanzen erlauben. Hierfür wird u.a. die MobileCity-App aus der BMBF-Fördermaßnahme MobilitätsZukunftsLabor 2050 weiterentwickelt.
Aus dem verabschiedeten Zukunftsbild heraus werden dann in regionalen Dialogveranstaltungen Maßnahmenbündel mit Hilfe eines Backcasting-Ansatzes identifiziert, die in ihrem Zusammenspiel das Erreichen des Zukunftsbildes möglich machen. Vielversprechende Anpassungs- und Umsetzungsstrategien werden anschließend zu einem Netz aus aufeinander abgestimmten Realexperimenten zusammengefasst. Zudem werden ähnliche Experimente an verschiedenen Orten durchgeführt, um Rückschlüsse auf die Transferier- und Skalierbarkeit der Maßnahmen zu ermöglichen. Eine abschließende Wirkungsanalyse der identifizierten Transformationspfade soll auf das Spannungsverhältnis zwischen der Effektivität und der Implementierbarkeit von verkehrspolitischen Maßnahmen fokussieren und Lösungswege aufzeigen, wie mit diesem umgegangen werden kann.
Das Projekt „Saarmila" fokussiert vernetzte Reallabore für eine nachhaltige Mobilitätskultur in den Lebensbereichen Erwerbs- und Sorgearbeit sowie Freizeit. Es nutzt und erforscht Ansätze für die Skalierung auf das gesamte Saarland als Projektregion, bei dem alle relevanten Akteur*innen einbezogen werden (Verwaltung, Nichtregierungsorganisationen, Verbände, wissenschaftliche und künstlerische Institutionen, Bürger*innen etc.). Die besondere Raumstruktur des Saarlandes als Regiopolregion mit Saarbrücken als Ballungsgebiet und hoher Verflechtung mit dem gesamten Bundesland ist zentraler Ausgangspunkt des Projektes. Dadurch besteht ein hohes Potenzial für die Mobilitätswende: kurze Wege, gute Infrastruktur, dichte Bebauung und gut vernetzte Akteur*innen.
Ausgehend von einer Vision ganzheitlich ausgerichteter Mobilität werden im Projekt ein Leitbild und konkrete Umsetzungsstrategien entwickelt, welche dann in regional vernetzten Reallaboren erprobt und untersucht werden. Die Reallabore finden zu folgenden Themen statt: 1. Mobilität an Schulen und Kitas; 2. Potenziale der Nutzung von On-Demand-Angeboten; 3. Potenziale einer verständigungs- und teilhabeorientierten ästhetischen Kommunikation für die Integration von Nahraumorientierung und Funktionsmischung. Um die synergetische Vernetzung und Skalierung der einzelnen Reallabore zu einem bundesland-weiten Ganzen zu ermöglichen, wird dabei ein Meta-Lab-Ansatz verfolgt, der die Steuerung im Sinne einer systemischen Intervention von Prozessen sowie die systematische Einbeziehung aller relevanten Akteure übernimmt.
Die Kooperation und Zusammenarbeit im Meta-Lab soll die Generierung und den Transfer von Wissen in verschiedenen Raumstrukturen und -kategorien sowie die zeitliche und räumliche Verankerung in bestehende institutionelle Arrangements ermöglichen. Neben den notwendigen Governance-Strategien bzw. Ansätzen im Mehrebenen-System (Kommune, Landkreis, Bundesland) und Transformationspfaden erforscht und erprobt das geplante Forschungsprojekt eine positive teilhabe- und verständigungsorientierte ästhetische Kommunikation zum Thema Mobilitätswende. Dabei setzt das Projekt u.a. an neueren Erkenntnissen und Initiativen wie dem "New European Bauhaus" an.
Modellprojekte regionaler Transformationsräume
Das BMBF hat schon 2022 in der Metropolregion FrankfurtRheinMain und Nürnberg die Modellprojekte „transform-R" und „Klimapakt2030plus" auf den Weg gebracht, um den neuen Förderansatz der regionalen Transformationsräume zu testen. Beide Projekte verfolgen das Ziel, klimapolitisch notwendige Maßnahmen in großräumigen Reallaboren zu erproben. Hierfür werden Akteure aus Wissenschaft und Praxis wie Kommunalverwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammengebracht, um Synergien für die Energie- und/oder Mobilitätswende zu identifizieren und beschleunigt nutzbar zu machen. Eine zentrale Rolle kommt dabei den Metropolregionen bei der Aktivierung, Partizipation und Koordination relevanter Akteure und dem Transfer der Reallaborergebnisse in die Breite zu.
Das Projekt „transform-R" verfolgt die Ziele, neue Erkenntnisse zur sozial-ökologischen Transformation regionaler Energie- und Mobilitätssysteme in der Metropolregion FrankfurtRheinMain zu gewinnen und die Mobilitätswende durch eine Skalierung kleinräumig erfolgreicher Maßnahmen und innovative Ansätze voranzubringen. In einem ersten Schritt wird in Form eines transdisziplinären, kooperativen Prozesses ein Leitbild für „Nachhaltige Mobilität in Regionen" gemeinsam mit den relevanten Stakeholdern der Metropolregion entwickelt, das die Ziele der Energiewende und des Klimaschutzes in die Ziele der Verkehrswende integriert. Der Leitbildprozess soll in alle Ebenen und Zielgruppen, wie Politik, Verwaltung, Interessensverbände, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft, hineingetragen werden, damit ein Transfer bereits bestehender kleinräumiger Erkenntnisse zu Transformationsoptionen auf größere räumliche Einheiten besser gelingen kann. Darauf aufbauend plant das Projekt in einem Ko-Design-Prozess regional vernetzte Reallabore. In den Reallaboren werden innovative Maßnahmen, Kooperationsstrukturen, Kommunikations- und Organisationsprozesse erprobt sowie wissenschaftlich und kommunikativ begleitet. Zentral für das Projekt ist ein durchgängiges Wirkungsmonitoring für die Evaluation sozial-ökologischer und verkehrlicher Wirkungen der durchgeführten Maßnahmen und der Prozesse.
Das Projekt „Klimapakt2030plus" hat das Ziel, die Energiewende in der Metropolregion Nürnberg entscheidend zu beschleunigen, um die Region zukunftsfähig zu gestalten und den Klimaschutz nachhaltig zu stärken. Dafür möchte das Projekt den Umbau der Strom- und Wärmeversorgung und die energetische Gebäudesanierung deutlich vorantreiben. Mit wissenschaftlicher Unterstützung sollen dafür ungenutzte Potenziale im Energie- und Gebäudesektor identifiziert und in Zusammenarbeit mit den relevanten Akteuren erschlossen werden. Der besondere Ansatz des Projekts ist die Verbindung von Wissenschaft und Praxis: Politisch-strategischer Rahmen ist der vom Rat der Metropolregion Nürnberg im Juli 2024 verabschiedete Klimapakt. Zur Umsetzung wurde im Rat der Metropolregion eine neue Energie-Governance geschaffen. Den Weg von der Forschung in die Praxis ebnen Reallabore in zwei zentralen Handlungsfeldern: Transformation der Energieversorgung und Transformation des Gebäudebestands. Das Projekt dient als Testlabor zur Entwicklung praktisch erprobter Lösungen, die eine umfassende Transformation anstoßen sollen.
Nachrichten zur Maßnahme
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