Nebenwirkung Klimawandel: Zunahme von Pandemien
CLIMADEMIC: Dr. Christopher Irrgang erforscht mit seinem Team, wie sich klimabedingte Risikofaktoren – beispielsweise immer häufigere Hitzeperioden – auf zukünftige Pandemien auswirken können.
Von der Liebe zur Mathematik zur Forschung mit Klimamodellen
Als Student entschied sich Christopher Irrgang für Mathematik mit dem Schwerpunkt Klimamodellierung. Gerade der praktische Bezug begeisterte ihn von Anfang an: „Das Fach finde ich faszinierend, weil es uns nicht nur ermöglicht, abstrakte mathematische Strukturen zu erforschen, sondern auch allgegenwärtige Phänomene in der Natur und Umwelt zu beschreiben. An der Universität Kiel habe ich erste Vorlesungen zur Mathematik in der Klimamodellierung gehört. Das war der Startschuss für meinen Weg in die Forschung." Nach seiner Promotion in Meteorologie an der Freien Universität in Berlin war er am Helmholtz Zentrum Potsdam GFZ beschäftigt, wo er in der Sektion Erdsystemmodellierung arbeitete und unter anderem eine Studie zu Chancen und Grenzen von Künstlicher Intelligenz in der Klimamodellierung veröffentlichte. Seit einem Jahr ist Christopher Irrgang Fachgebietsleiter der Klima- und Gesellschaftsanalytik des Zentrums für Künstliche Intelligenz in der Public Health-Forschung am Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. „Das Ziel einer ressortübergreifenden Kooperation im Bereich der Künstlichen Intelligenz am RKI ist es, ein umfassendes Verständnis über die Verbreitung und Verhinderung von Krankheiten in der Bevölkerung zu erlangen und Epidemien des 21. Jahrhunderts noch effektiver zu begegnen."
Für die Forschung der Nachwuchsgruppe CLIMADEMIC, die Irrgang leitet, bilden die Klimaszenarien des Weltklimarats IPCC eine wichtige Grundlage. „Aus diesen Simulationen wollen wir zukünftig erwartbare Risiken für die Ausbreitung von Krankheiten und für die öffentliche Gesundheit ableiten. Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gesundheit nimmt auch in den IPCC-Berichten eine immer wichtigere Rolle ein und dazu möchten wir natürlich einen Beitrag leisten."
CLIMADEMIC
Die COVID19-Pandemie hat laut Irrgang auch zur Projektidee von CLIMADEMIC beigetragen. „Wie in fast allen Berufen hat die Pandemie auch den Forschungsalltag massiv beeinträchtigt und viele bestehende Routinen aufgelöst. Neben all den negativen Effekten haben sich aber auch Freiräume für neue Ideen ergeben. Dazu gehörte auch CLIMADEMIC."
Die Kernidee in CLIMADEMIC ist es, so Irrgang, das Klima der Erde und die Gesundheit der Bevölkerung als gekoppeltes System zu verstehen. „Es gibt natürlich bereits mehrere Konzepte, um zum Beispiel die Gesundheit der Umwelt, Tierwelt und Menschen zu vereinen wie etwa der „One Health"-Ansatz." So will Irrgang mit seinem Team Kopplungsmechanismen zwischen dem sich verändernden Klima der Erde und der Dynamik von Pandemien finden, systematisieren und vorhersagen. „Dabei werden wir modernste numerische Klimamodelle und Datensätze in Kombination mit den neuesten Erkenntnissen aus der Infektionsbiologie, Krankheitsdynamik und Bioinformatik verwenden. CLIMADEMIC wird eine neue Ebene des Verständnisses globaler und regionaler klimabedingter Bedrohungen der menschlichen Gesundheit einführen, was die Voraussetzung für die Entwicklung von Abschwächungsstrategien ist." Allerdings stünden sie auf der methodischen beziehungsweise analytischen Ebene noch am Anfang. „Maschinelles Lernen steht hier besonders im Fokus, da es uns neue Möglichkeiten bietet, die verschiedenen Forschungsdaten aus der Klima-, Umwelt- und Gesundheitsforschung miteinander zu verknüpfen und zu untersuchen." Dabei wird Irrgang mit seiner Nachwuchsgruppe zunächst den globalen Zusammenhang zwischen Klimawandel und sogenannten vektorübertragenen Krankheiten in den Blick nehmen, wie zum Beispiel Gelbfieber, Dengue-Fieber, West-Nil-Fieber oder Malaria. In einem weiteren Schritt ist darüber hinaus die Erforschung des Zusammenhangs mit anderen Krankheiten denkbar: „Am RKI existieren auch Erhebungen und Daten zu einer Vielzahl anderer Krankheiten und Dynamiken in der öffentlichen Gesundheit. So können neu entwickelte Methoden, zum Beispiel aus dem Bereich des maschinellen Lernens, auch zur Erforschung weiterer zukünftiger Gesundheitsgefahren in Deutschland genutzt werden."
Anpassung an die Klimarealität
Das Ziel der Nachwuchsgruppe CLIMADEMIC ist es, die Gesellschaft möglichst effektiv vor klimabedingten Krankheitsausbrüchen zu schützen. Die modell- und datenbasierte Erforschung klimabedingter Krankheitsausbrüche ermögliche es, eine ganze Bandbreite an Szenarien zu entwickeln, wie dies gelingen kann, so Christopher Irrgang. „Ganz grundlegend sind wir an der Frage interessiert, wie eine gesunde und belastbare – anders gesagt resiliente – Gesellschaft in der Zukunft aussieht. Dazu müssen wir abschätzen können, welche Gesundheitsgefahren uns in der Zukunft erwarten, um entsprechende Vorsorgestrategien zu entwickeln. Heute sehen wir schon, dass mehr und mehr Länder nationale Hitzeschutzpläne erstellen, um die Bevölkerung besser vor extremen Hitzeperioden zu warnen und zu schützen."
Fördermaßnahme „BMBF-Nachwuchsgruppen Globaler Wandel: Klima, Umwelt und Gesundheit"
Das Nachwuchsprogramm ist für den 35-jährigen Christopher Irrgang sehr spannend, weil es den Zusammenhang zwischen den drei Kernthemen Klima, Umwelt und Gesundheit von so vielen unterschiedlichen Blickwinkeln aus beleuchtet – von globalen Klimaprozessen bis hin zu lokalen Auswirklungen auf die Stadtebene. „Am Ende des Programms ergibt sich daraus hoffentlich ein möglichst ganzheitliches Bild der klimabedingten Gesundheitsrisiken, aber auch zu den Chancen und möglichen Anpassungsstrategien."
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