Kein Hokus Pokus - Aus Sägespänen werden Batterien
Nachwuchsgruppenleiter Lars Borchardt will einen nachhaltigen Herstellungsprozess für Materialien zur Energiespeicherung etablieren. Auf dem Weg dorthin hat er sich nicht auf gängige Meinungen verlassen und alles auf ein Nischenphänomen gesetzt.
Einen Chemie-Baukasten durfte Lars Borchardt als Kind nicht haben. „Das war meinen Eltern zu gefährlich", erinnert er sich und lacht. Als Ersatz hat er dann einen Elektrobaukasten bekommen. Gäbe es seine Forschung heute in einem Baukasten zu kaufen, wären seine Eltern vermutlich nicht mehr so ängstlich. Die Nachwuchsgruppe des Chemikers beschäftigt sich mit sogenannter Mechanochemie. „Unsere Experimente muss man sich ganz anders als die klassische Chemie vorstellen. Es gibt keine dampfenden Kolben und keine giftigen Lösungsmittel ", erklärt Borchardt.
Mechanochemie nutzt mechanische Energie wie Hammerschläge, um Stoffe miteinander reagieren zu lassen. So kann man auf giftige Lösungsmittel verzichten, die bislang noch immer einen Großteil der chemischen Industrie ausmachen. Erst seitdem die Gesellschaft auf eine grüne Chemie drängt, geraten lösungsmittelfreie Verfahren wieder in den Fokus. „Die Leute denken oft, das ist doch Hokus Pokus und belächeln unsere Forschung. Wenn sie dann verstehen, was man alles damit machen kann, ist das schnell vorbei. Wir machen ziemlich cooles Zeug!", fügt er begeistert hinzu. Borchardt ist voll und ganz Forscher und möchte vor allem verstehen, wie diese Prozesse funktionieren. Doch genauso wichtig ist ihm, dass seine Forschung auch einen gesellschaftlichen Nutzen hat. „Als Wissenschaftler darf man sich nicht völlig im Elfenbeinturm verschanzen, man muss auch ein Ziel vor Augen haben. Der Nachhaltigkeitsaspekt ist für mich die wichtigste Frage, die wir in der Chemie beantworten müssen."
Eigene Ideen verwirklichen
Nach seiner Promotion hat Borchardt nach einem Schwerpunkt für eine eigene wissenschaftliche Karriere gesucht. Nachdem er das Potential der Mechanochemie für eine nachhaltige Forschung erkannt hatte, war seine Entscheidung leicht getroffen. Rückblickend bezeichnet Borchardt die Förderung seiner eigenen Nachwuchsgruppe durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung als das wichtigste Erfolgserlebnis seiner Karriere. „Ohne die Förderung hätte ich nicht bereits zwei Jahre nach der Promotion eine eigene Gruppe aufbauen können. Nur so konnte ich meine eigenen Ideen verwirklichen und musste mich nicht den Forschungszielen anderer unterordnen", erklärt Borchardt.
„Wir nutzen immer mehr erneuerbare Energien aus Sonne, Wind und Wasser. Doch die Sonne scheint nicht immer und der Wind weht nicht immer. Eine effiziente und nachhaltige Energiespeicherung ist daher unumgänglich", beschreibt Borchardt die große Herausforderung der Energiewende. Eine mögliche Lösung ist die elektrochemische Energiespeicherung etwa in Batterien. Dafür werden in vielen Fällen spezielle Materialien mit Poren im Nanometerbereich verwendet, die aufgrund ihrer gewaltigen inneren Oberfläche große Menge elektrischer Energie speichern können. „Die gängigen Verfahren zur Herstellung dieser Materialien kosten jedoch viel Zeit, Geld und vor allem Energie", erklärt Borchardt weiter. Hier setzt seine Forschung an: „Wir wollen ein super einfaches und vor allem nachhaltiges Verfahren entwickeln." Dafür soll der Verbrauch von Ressourcen minimiert werden. „Aus Abfall Hochwertiges herstellen – das ist meine Mission.", sagt Borchardt mit Nachdruck. Wer ihm länger zuhört, denkt nicht mehr an Hokus Pokus.
Patent bereits angemeldet
Borchardt erklärt das Verfahren daraufhin an einem einfachen Beispiel. „Wir nehmen Sägespäne aus dem Baumarkt und packen sie zusammen mit ein paar Chemikalien in eine Mühle. Das Besondere dabei ist, dass die Schläge in der Mühle die Sägespäne nicht nur zerkleinern, sondern auch noch eine chemische Reaktion auslösen. Das Resultat ist Aktivkohle mit einer porösen Struktur im Nanometerbereich, die als Speichermaterial etwa in Batterien weiterverarbeitet werden kann", beschreibt Borchardt den Herstellungsprozess.
Angetrieben haben Borchardt die Neugierde und der Idealismus. Er glaubt aber auch an die ökonomische Tragfähigkeit seiner Idee. „Wir haben bereits ein Patent dazu eingereicht. Wir sind gespannt, was daraus wird." Schon während der Diplomarbeit hat Borchardt ein Aufbaustudium zum Patentrecht gemacht und gelernt, welche Faktoren über den Erfolg eines Patents entscheiden. Ein Wechsel in die Industrie oder gar zum Patentrecht kann er sich dennoch nicht vorstellen. „Ich möchte verstehen, wie etwas funktioniert und nicht, wie ich es am besten verkaufen oder patentieren kann", erklärt Borchardt. Seine Mission bleibt eine nachhaltige Chemie.
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