Gesundheitsschutz im Klimawandel für Seniorinnen und Senioren
CoCareSociety: Dr. Jo-Ting Huang-Lachmann entwickelt mit ihrem Team Klimaservices für die Pflege. So sollen Seniorinnen und Senioren in Zeiten des Klimawandels beim Gesundheitsschutz und Energiesparen unterstützt werden.
Von Taiwan nach Deutschland
Jo-Ting Huang-Lachmann ist in Taiwan geboren und dort aufgewachsen. Bereits in ihrer Jugend interessierte sie sich für Abfallreduzierung und die Zero-Waste-Bewegung. So benutzt sie schon seit Jahrzehnten wiederverwendbare Wasserflaschen und Lunchboxen und Produkte ohne Plastikverpackungen. Mit 19 Jahren sah sie den Dokumentarfilm „Eine unbequeme Wahrheit", der sie auf die Arbeit des Weltklimarats IPCC aufmerksam machte. Ein Resultat des Films war, dass sie als freiwillige Helferin an verschiedenen Veranstaltungen in Schulen teilnahm und sich dort der Umwelterziehung widmete und Kinder über den Klimawandel aufklärte. Ein weiteres Resultat war, dass sich ihr Interesse am Thema Umweltmanagement vertiefte. „Ich wollte Umweltmanagement studieren und bemühte mich intensiv um Praktika und Stipendien."
Studium in den Niederlanden und Deutschland
Ein Praktikum führte sie nach Deutschland, ihren Master in Umwelt- und Energiemanagement schloss sie in den Niederlanden ab und in Deutschland wurde die heute 36-Jährige promoviert. Sie hatte sich schon früh für die wirtschaftlichen Aspekte der Anpassung an den Klimawandel interessiert. „Während meines Masterstudiums wurde ich dazu ermutigt, mehr über institutionelle Ökonomie zu erlernen und sie bei der Anpassung an den Klimawandel auf lokaler Ebene anzuwenden. Später forschte ich dann auch zur Motivation für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen auf lokaler Ebene." Dabei interessiert sie sich sehr für verschiedene Mechanismen, von monetären Anreizen bis hin zu inneren Überzeugungen. Wichtige Fragen sind für sie, wie man diese Anreize einsetzen kann, um verschiedene Gruppen von Menschen in Gesellschaften zu Verhaltensänderungen zu motivieren.
Aber sie ist auch daran interessiert, an welchem Punkt sich beispielsweise Bürgerinnen und Bürger, Beamtinnen und Beamte oder Bürgermeisterinnen und Bürgermeister entscheiden, etwas gegen den Klimawandel zu tun. Tun sie es, um zukünftige katastrophale Schäden durch den Klimawandel zu vermeiden oder wegen der Vorteile für ihre eigene Gesundheit oder für das Wohl aller? „Wir Menschen handeln sehr unterschiedlich, und das fasziniert mich. Ich möchte durch meine Forschung mehr darüber herausfinden und dies möglichst gesellschaftlich umsetzen, sodass mehr Menschen zu einer positiven Veränderung motiviert werden können."
CoCareSociety – Co-creating Climate Services for Care Economy and Caring Society
Dr. Jo-Ting Huang-Lachmann will mit ihrer Nachwuchsgruppe eine gemeinsame Entwicklung von Klimaservices für die Pflegewirtschaft und die Pflegende Gesellschaft entwickeln. Sie hatte bereits früher viel zum Klimawandel und zur künftigen Klimaanpassung geforscht und viel über langfristige Veränderungen nachgedacht, zum Beispiel darüber, was in 30 Jahren passieren wird. Die Forscherinnen und Forscher ihrer Nachwuchsgruppe wollen wissen: Wie könnte die nächste Generation von Klimadienstleistungen aussehen? Wie kann sich unsere alternde Gesellschaft an die Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland anpassen? „Wir sollten diese Antwort jetzt herausfinden, damit wir anfangen können, unsere Gesundheit zu schützen."
Dazu hatte sie viele Befragungen zu den Vorbereitungen und Visionen der Bürgerinnen und Bürger sowie von Städten in Bezug auf den Klimawandel durchgeführt. Dabei stellten die Menschen Fragen, wie sie sich besser auf ihre Zukunft vorbereiten können, wenn sie jetzt in ihr derzeitiges Zuhause investieren. „Denn viele möchten sich jetzt, wo sie noch Energie und finanzielle Möglichkeiten für Investitionen haben, auf ihre Zukunft im Klimawandel vorbereiten. Denn wenn sie alt und pflegebedürftig sind und weniger Einkommen durch die Rente haben, wird das schwieriger", so Huang-Lachmann.
Sie weist auch auf das Beispiel von Hitzewellen hin: „Wenn bei der Planung von Gebäuden das künftig heißere Klima nicht berücksichtigt wird, müssen die Menschen energieintensive Maßnahmen wie Klimaanlagen zur Kühlung ihrer Häuser einsetzen, was ihren Stromverbrauch erhöhen wird. Aber wenn sie alt sind, werden sie weniger finanzielle Möglichkeiten haben, um sich höhere Stromrechnungen leisten zu können. Dies gilt auch für andere Klimaauswirkungen." So untersucht sie mit ihrer Nachwuchsgruppe Hindernisse und Anreize beim Anwenderverhalten, um die Faktoren, die das Verhalten zu Gunsten des Gesundheits-, Klima- und Energieschutzes verändern, zu identifizieren. „Dadurch können bedarfsgerechte Klimadienstleistungen für die alternde Gesellschaft sowie deren Transfer- und Skalierungsmöglichkeiten entwickelt und umgesetzt werden."
Internationale Zusammenarbeit
Für die Zusammenarbeit mit internationalen Kolleginnen und Kollgegen ist es von großem Vorteil für Dr. Jo-Ting Huang-Lachmann, dass sie fließend Mandarin, Englisch und Deutsch spricht. Die internationalen Kooperationen sind ihr sehr wichtig. Einige Länder wie Japan und Taiwan seien in bestimmten Bereichen weiter fortgeschritten, beispielweise bei der Anpassung an Hitzewellen oder bei Unterstützung der Langzeitpflege in alternden Gesellschaften auf Gemeindeebene. Auch gebe es in diesen Ländern schon digitale Lösungen wie Apps als Frühwarnsysteme vor Hitzeperioden.
Aber gerade auch der Wissensaustausch mit Ländern in Afrika ist notwendig, die von Versicherungen und Finanzierungsmechanismen für die Langzeitpflege und die institutionelle Pflege in Industrieländern, wie Deutschland, Großbritannien und in den USA profitieren könnten. Partner des Projektes sind deshalb Wissenschaftsinstitutionen in Uganda und Senegal.
„Diese Finanzierung ermöglicht es mir auch, junge Forschende einzustellen, die ebenfalls an transdisziplinärer Forschung interessiert sind. Das ist für mich besonders wichtig und soll auch eine Botschaft an die nächsten Generationen von Forschenden sein, die ihren Fokus auf transdisziplinäre Forschung für ihre Karriere legen wollen."
„Co-Care-Gesellschaft"
Die Idee einer mitsorgenden Gesellschaft ist Huang-Lachmann sehr wichtig: „Wir alle werden eines Tages mit dem Älterwerden konfrontiert sein, und durch die Generationen unserer Großeltern oder Eltern werden wir Pflegebedürftigkeit erleben oder haben sie bereits erlebt." Sie fragt sich, welche Faktoren dazu führen, dass wir im Alter anfälliger für Hitzeauswirkungen werden. Was wäre, wenn wir mit unserem Wissen aus der Forschung und Entwicklung von Klimadienstleistungen andere Lösungen entwickeln könnten, wie zum Beispiel Hitzewarnsysteme, die auf bestimmete Wohnsituationen zugeschnitten sind? Sie ist sich sicher, dass wir dadurch künftig einige Lasten der Langzeitpflege verringern können. Huang-Lachmann sieht sich nicht nur als Forscherin, sondern auch als Enkelin, Tochter, Mutter und als Bürgerin in der Gesellschaft. „Ich kann auch als Bürgerin und Mitglied der Gesellschaft Teil dieser Lösungen sein. Aus diesem Grund wurde das Konzept der CoCareSociety entwickelt. Wir alle können uns durch unsere vielfältigen Rollen in der Gesellschaft und in den Familien umeinander kümmern. Und wenn eine solche Co-Care-Gesellschaft auch mit Hilfe einer soliden Wissensbasis durch die Forschung geschaffen wird, kommt sie nicht nur den heute lebenden älteren Menschen, sondern auch nachfolgenden Generationen zugute."
Wissenschaftliche Karriere
Die Förderung eines Langzeitprojekts, wie die fünfjährige BMBF-Nachwuchsforschungsgruppe, sei nicht nur für den Wissensgewinn für unsere Gesellschaft sondern auch für ihre Forschungskarriere hilfreich, so Jo-Ting Huang-Lachmann. So kann sie sich auf die Forschung zu wichtigen Themen konzentrieren und verschiedene wissenschaftliche Meilensteine erzielen, wie beispielweise zu publizieren und gesellschaftlich nutzbare Lösungen zu entwickeln. Dank dieses BMBF-Nachwuchsförderprogramms habe sie zum ersten Mal die volle Freiheit, ein neues Forschungsfeld zu gestalten, die Forschungsfragen, die sie für unsere Gesellschaften für wichtig halte, vollständig zu formulieren und ein Team zu bilden, um dieses neue Forschungsfeld zu etablieren. „Diese Förderung bietet meiner beruflichen Laufbahn somit nicht nur einen besonderen Anstoß, sondern auch die nötige Stabilität für die Fokussierung auf die Forschung. Bis jetzt hatte ich nur kurzfristige Arbeitsverträge und musste ständig Förderanträge schreiben, um meinen nächsten Vertrag zu sichern. Es war sehr schwierig, sich auf die Forschung zu konzentrieren und mehr Forschungsergebnisse zu erzielen."
Am Ende dieser fünfjährigen Nachwuchsgruppe ist sie an einer langfristigen Position interessiert und möchte sich gerne weiter mit Forschung und Lehre beschäftigen. Ihre Vision ist es, einen transdisziplinären Lehrstuhl einzurichten, um verschiedene Wissensdisziplinen zu verbinden. „Mein Ziel ist es, Ergebnisse sowohl in der Forschung als auch gesellschaftlich nutzbare Lösungen zu erzielen, wie zum Beispiel soziale Spin-offs, also Ausgründungen, um innovative Dienstleistungen für zukünftige Gesellschaften zu produzieren."
Karriere und Familie
Die Familienarbeit teilt sich die Mutter eines dreijährigen Sohnes mit ihrem Mann. Huang-Lachmann ist aber auch auf die Mithilfe ihres Freundeskreises angewiesen. Zum Beispiel dann, wenn ihr Sohn früher aus der Kita abgeholt werden muss. „An langen Wochenenden und in den Ferien können wir uns darüber hinaus auf Familienmitglieder verlassen, die sich um unser Kind kümmern, falls wir arbeiten müssen, um Deadlines einzuhalten." Sie zitiert gern das afrikanische Sprichwort „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf!". Sie ist sehr dankbar, dass unsere Gesellschaft verschiedene Systeme hat, die bei der Kinderbetreuung unterstützen: Flexible mobile Arbeit und flexible Arbeitszeiten durch Arbeitgeber, Kinderbetreuungseinrichtungen und verständnisvolle Erzieherinnen und Erzieher sowie unterstützende Nachbarn, Freundeskreise und die Familie.
Sie möchte alle jungen Forschenden ermutigen: „Es erfordert zusätzliche Anstrengungen, die Kinderbetreuung zu organisieren und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu leben, aber es ist machbar und (meistens) zu bewältigen. Am Ende des Tages ist es das alles wert!"
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