Hochwasserrisiko verringern, Gesundheit verbessern
HI-CLiF: Dr. Nivedita Sairam untersucht mit ihrem Team den Einfluss von Hochwasserereignissen auf unsere Gesundheit. Da durch den Klimawandel Starkregen und Hochwasser wahrscheinlicher werden, steht für Sairam im Zentrum: Wie schützen wir uns besser?
Von Indien nach Potsdam
Nivedita Sairam ist im Süden Indiens im Bundesstaat Tamil Nadu geboren und aufgewachsen. Dort erlebte sie, dass Wasserknappheit im Sommer ein häufiges und ernstes Problem ist. Mit großer Unterstützung ihrer Lehrer und Eltern engagierte sie sich schon als Teenager für den Wasserschutz. So nahm sie beispielsweise an Veranstaltungen teil, die von der Nichtregierungsorganisation Siruthuli und dem Salim Ali Center for Ornithology and Natural History organisiert wurden. Ihr Ziel war es, das Bewusstsein für die Umweltprobleme zu schärfen und sich für die Regenerierung von Flüssen, beispielsweise in der indischen Stadt Coimbatore, einzusetzen. So entstand bei Nivedita Sairam der Wunsch, mit Hilfe der Wissenschaft gesellschaftliche Prozesse zu unterstützen, die ein gesundes Leben gewährleisten - zum Beispiel durch gute Ernährung, sauberes Wasser, Bildung, Zugang zu medizinischen Einrichtungen und Verkehrsinfrastruktur. Als nächsten Schritt studierte sie Geoinformatik am College Of Engineering Guindy, Chennai/Indien und schloss mit einem Master in Geomatik an der Florida Atlantic University in Boca Raton, Florida/USA ab. Dort wuchs ihr Interesse an Fernerkundung, geografischen Informationen und Softwaretechnik. „Die Geoinformatik gab mir die Möglichkeit, diese Technologien zur Bewältigung realer Herausforderungen einzusetzen. Während meines Masterstudiums an der Florida Atlantic University haben wir (die Forschungsgruppe von Prof. Sudhagar Nagarajan) zum Beispiel ein mobiles Kartierungsgerät entwickelt, das automatisch 3D-Karten der Verkehrsinfrastruktur wie Straßen, Gehwege und Verkehrsschilder erstellt." Diese Informationen können genutzt werden, um die Straßeninfrastruktur nach den Schäden und Zerstörungen durch die häufigen Wirbelstürme in Südflorida zu bewerten und wieder aufzubauen. Die praktische Relevanz dieses Projekts hat sie motiviert, eine akademische Laufbahn einzuschlagen und in der Arbeitsgruppe von Dr. Heidi Kreibich am GFZ in Potsdam zum Thema Hochwasserrisiko und Klimaanpassung zu promovieren. So schloss Nivedita Sairam ihre Promotion an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin ab. Heute forscht sie am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ), Helmholtz-Zentrum Potsdam, wo sie die Nachwuchsgruppe HI-CLiF (Understanding and modelling the Health Impacts under future and Climate socio-economic drivers of the Flood Risk System) leitet.
Nachwuchsgruppe HI-CLiF
Sairams Idee für HI-CLiF war, die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitswissenschaften und Naturwissenschaften im Zusammenhang mit Hochwasserrisiko und Klimaanpassung zu fördern. „In der Vergangenheit wurden bei Entscheidungen zur Hochwasseranpassung nur Ingenieure konsultiert. In den Folgejahren wurden dann mit Unterstützung von Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlern auch soziale und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Dies führte zu sozial integrativeren und umfassenderen Anpassungsstrategien. Das derzeit fehlende Bindeglied ist die Gesundheit." Die Menschen litten häufig unter den kurz- und langfristigen Auswirkungen von Überschwemmungen in Bezug auf ihre körperliche und geistige Gesundheit. Dies erhöhe den Bedarf an gesundheitlicher Unterstützung in der Reaktions- und Erholungsphase von Katastrophen. Durch den Klimawandel sind weltweit mehr Menschen von Hochwasser betroffen als von jeder anderen Naturgefahr. Es wird erwartet, dass die negativen Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit und das psychosoziale Wohlbefinden der Bevölkerung aufgrund des Klimawandels und der raschen Urbanisierung zunehmen werden. Mit ihren Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern möchte Nivedita Sairam die Prozesse, die zu gesundheitlichen Auswirkungen von Überschwemmungen führen, besser verstehen und Maßnahmen zur Verringerung der gesundheitlichen Belastungen entwickeln. So sollen unter Berücksichtigung künftiger klimatischer und sozioökonomischer Veränderungen Möglichkeiten zur Anpassung an den Klimawandel entwickelt werden.
Internationale Zusammenarbeit
HI-CLiF basiert auf verschiedenen Fallstudien aus Deutschland und Vietnam. Die Motivation für die länderübergreifende Zusammenarbeit sei der Austausch von Erkenntnissen über die Verringerung des Katastrophenrisikos und die öffentliche Gesundheit. „Die Zusammenarbeit mit internationalen Wissenschaftlern und Akteuren ist eine sehr bereichernde Erfahrung." Es gebe viele interessante Aspekte des Risikomanagements – vor allem im Zusammenhang mit Risikoanpassung und Resilienz, wo der Transfer von der Wissenschaft in die Praxis noch eine Lücke darstellt. „Ich freue mich darauf, im Rahmen dieses Projekts Entscheidungsträger aus beiden Ländern in unseren Stakeholder-Workshops zusammenzubringen, um diese Erkenntnisse zu vertiefen und sie mit der Praxis zu verknüpfen." Zu vielen Aspekten des Risikomanagements gehörten aber auch die Sensibilisierung und die Vorbereitung von Bürgerinnen und Bürgern, zum Beispiel das Wissen, was man tun müsse, wenn man eine Hochwasserwarnung erhält. „Daher beziehen wir Stakeholder sowie Bürgerinnen und Bürger aus beiden Ländern – Deutschland und Vietnam – in Umfragen und Workshops ein."
Anpassung an die Klimarealität
Auch als Bürgerin sind Nivedita Sairam Informationen aus ihrer Forschung wichtig, damit sie sich auf Katastrophen vorbereiten und auch an Interventions- und Anpassungsprogrammen in der Nachbarschaft teilnehmen kann. „Unsere Forschungsergebnisse werden zu einer besseren und umfassenderen Politikgestaltung bei der Anpassung an Hochwasserrisiken beitragen, die nicht nur die wirtschaftlichen Auswirkungen, sondern auch die Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden berücksichtigen. Dies gewährleistet ein gesundheits- und sozial angepasstes Risikomanagement sowohl in der kurz- als auch in der langfristigen Perspektive."
HI-CLiF und Karriere
Das Projekt ist Sairam als Nachwuchswissenschaftlerin sehr wichtig, da es ihr zum ersten Mal die Möglichkeit gebe, ein eigenes wissenschaftliches Team zu leiten. „Dies ist für meine Karriere von entscheidender Bedeutung, da ich mich von einer unabhängigen Forscherin zu einer Gruppenleiterin entwickle, die anderen Forschenden als Mentorin und Ratgeberin zur Seite steht." Am Ende des Projekts würde sie sich gerne als Expertin für den transdisziplinären Aspekt von Naturkatastrophen und öffentlicher Gesundheit sehen, die in der Lage ist, mit Fachleuten in beiden Bereichen zusammenzuarbeiten. „Ich möchte wissenschaftliche Forschung von hoher Qualität zu diesem Thema betreiben. Außerdem würde ich gerne sehen, wie wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umgesetzt werden, um Entscheidungen zu treffen."
Das Besondere an diesem BMBF-Förderprogramm ist laut Sairam, dass junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Möglichkeit haben, ihre Forschungsgruppen zu leiten und durch „learning by doing" früh in ihrer Karriere Führungs- und Team- sowie Projektmanagementfähigkeiten zu erlernen. Außerdem sei das Thema von HI-CLiF transdisziplinär und sehr relevant für die Lösung globaler Probleme. Es böte die Möglichkeit, eine Zusammenarbeit mit Instituten und Wissenschaftlern aus anderen Disziplinen aufzubauen und fortzuführen. „Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf der Anwendbarkeit und dem Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis. Unsere Forschungsergebnisse sollen nicht nur in Veröffentlichungen von Artikeln münden, sondern darüber hinaus in der Praxis genutzt werden."
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